Im Labyrinth der Abwehr
Sie den Gefangenen fort."
Am nächsten Tag wurde Weiß wieder zum Verhör gebracht. Doch der Untersuchungsrichter sah diesmal ganz anders aus. Nicht nur die SS-Uniform hatte ihn verwandelt. Er sah Weiß durchdringend an, rieb sich mit zufriedenem Gesichtsausdruck die Hände, las seine Aussage vor und bat, er möge sie bestätigen.
Weiß sagte:
„Ja, das bestätige ich."
„Du lügst, du bist gar nicht Weiß!"
„Wer sonst?"
„Das werden wir schon aus dir herausprügeln! Oberleutnant Weiß, für den Sie sich ausgeben, ist tot. Er ist bei einem Autounfall umgekommen!" Der Richter wühlte in seiner Mappe, holte zwei Fotos hervor und reichte sie Weiß.
Auf dem ersten waren die Trümmer eines Wagens zu sehen, ein von der Steuersäule seines Wagens durchbohrter, Johann bekannter Kurier und neben ihm eine andere Leiche mit zerfetztem Gesicht.
Auf dem zweiten Bild war nur die Leiche des Mannes mit dem zerfetzten Gesicht. Als Weiß sah, daß er den Anzug trug, den man ihm am ersten Tag abgenommen hatte, verspürte er ein Gefühl der Erleichterung. Also war die ganze Sache von der Gestapo arrangiert, und man hatte ihn nicht als sowjetischen Kundschafter, sondern als Mitarbeiter Schellenbergs verhaftet.
Weiß warf die beiden Bilder nachlässig auf den Tisch:
„Armer Kerl!“
„Wen meinen Sie?"
„Den Kurier, den Sie umgebracht haben. Den Kerl, dem Sie meinen Anzug angezogen haben, haben Sie so bearbeitet, daß seine eigene Mutter ihn nicht mal erkennen würde. Nun ja, mir sind die Methoden der Gestapo bekannt." Er beugte sich vor und fragte: „Sagen Sie, was ist der Grund für Ihre Bemühungen?"
Der Richter behielt seinen gelassenen Gesichtsausdruck bei, obwohl er Johanns Andeutungen nicht verstand. Er fragte nur:
„Sie geben jetzt zu, nicht der zu sein, für den Sie sich ausgegeben haben?"
„Machen Sie keine faulen Witze mit mir!" sagte Weiß.
Der Richter schaute ihn an und holte ein drittes Foto hervor: „Hier! Sie werden begreifen, daß Sie auf nichts mehr zu hoffen haben."
Das Bild zeigte eine Totenbahre mit einer Urne, auf der der Name „Johann Weiß" zu lesen war. Die Bahre trugen Heinrich Schwarzkopf, Gustav und Franz. Den vierten Mann kannte Weiß nicht. Hinter der Bahre stand Schellenberg, neben ihm Willi Schwarzkopf.
„Nun?" fragte der Richter. „Wird es Ihnen allmählich klar? Der Oberleutnant ist tot und seine Asche in der Urne. Einen Johann Weiß gibt es nicht mehr."
„Sagen Sie", fragte Weiß, „hat dieser arme Kerl, den Sie statt meiner umgebracht haben, wirklich so ein Ehrengeleit verdient? Wenn der Brigadeführer einmal erfährt, daß er zur Figur in Ihrem Spiel geworden ist, wird es vielen von Ihnen schlecht ergehen, auch Ihnen."
Der Richter zuckte zusammen, erhob sich dann aber ruhig und erklärte in offiziellem Ton:
„Gefangener Nr. 2016, Ihre Schuld vergrößert sich durch die verlogenen Aussagen, deren ich Sie soeben durch diese unwiderlegbaren Fotodokumente überführt habe."
Einige Tage später ließ der Untersuchungsrichter Weiß wieder zu sich kommen. Diesmal waren bei dem Verhör noch zwei Beamte in Zivil anwesend. Der Richter zeigte Weiß ein Foto, auf dem er neben dem Wagen, mit dem er in die Schweiz gefahren war, abgebildet war.
„Können Sie bestätigen, daß Sie das sind?"
„Scheint eine gewisse Ähnlichkeit da zu sein."
„Ja oder nein?"
Weiß schwieg.
Der Richter erklärte:
„Zweifellos sind Sie das."
Das zweite Foto zeigte Weiß in der Schweizer Bank, das dritte ein Schriftstück mit seiner Unterschrift und der eines Bankangestellten, demzufolge dieser von Weiß zehn Kilogramm Gold erhalten hatte.
„Ist das Ihre Unterschrift?”
„Sie haben doch gesagt, daß Johann Weiß tot ist und ich wer weiß wer bin."
„Unsere Untersuchung hat ergeben, daß Sie Weiß sind, ein Namensvetter des bei dem Autounfall umgekommenen Oberleutnant Johann Weiß." Er schrie: „Stehen Sie auf!"
Johann erhob sich.
„Auf Grund des Artikels", der Richter murmelte undeutlich einige Ziffern, „verurteilt der Oberste Volksgerichtshof des Dritten Reiches den wegen ungesetzlicher Goldausfuhr ins Ausland überführten Johann Weiß zum Tode durch Erhängen. Ausgehend von den unwiderlegbaren Beweisen und in Zusammenhang damit, daß der Straffällige aus dem Gefängniskrankenhaus nicht vor Gericht gebracht werden konnte, wird das Urteil in Abwesenheit verkündet."
„Aber ich bin doch ganz gesund", sagte Weiß.
„Das hat jetzt für Sie keine Bedeutung mehr. Haben Sie
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