Im Labyrinth der Abwehr
Folgeerscheinungen dieses Unternehmens ausnützen könnten.
Im Flugzeug befanden sich außer Johann nur vier Passagiere. Anscheinend kannten sie sich nicht und waren auch nicht bemüht, miteinander Bekanntschaft zu schließen, doch als das Flugzeug gelandet war und Weiß die Gangway hinunterging, schloß derjenige Passagier, der neben ihm ging, mit blitzartiger Bewegung ein Paar Handschellen um Weiß' Handgelenke. Im selben Augenblick warf der hinter ihm gehende Fluggast Johann einen weiten Mantel über, so daß man die gefesselten Hände nicht sah. Die beiden übrigen stellten sich neben ihn.
Von der Maschine wurde Johann direkt zu einem Wagen gebracht, in dem zwei SS-Offiziere saßen. Der Wagenschlag öffnete sich, Johanns Begleiter stießen ihn hinein.
Weiß wandte sich zu den Gestapoleuten und sagte:
„Gute Arbeit."
„Wir haben Erfahrung", sagte einer von ihnen.
„Und wie ist es, wenn Sie sich geirrt haben? Ich bin Oberleutnant des SD."
„Ja?" fragte derselbe Gestapomann. „Hier kommt alles vor. Auch Generäle haben bei uns schon wie Kinder geweint."
Johanns Kopf wurde nach einer Weile mit dem Mantel verhüllt. Der Wagen hielt an. Man führte ihn durch hallende Gänge, dann Treppen hinunter. Unterwegs wurde er ohne jede Eile durchsucht.
Endlich nahm man ihm den Mantel vom Kopf, und Johann sah sich in einer engen Betonzelle mit niedrigem Gewölbe. An der Längsseite der Zelle war ein Klappbett befestigt, gegenüber ein ebensolcher Tisch. In der Ecke stand ein Kübel. Die Hundertwattbirne beleuchtete die Zelle mit einem grellen, blendenden Licht.
Die Tür schlug zu. Einige Zeit später erschien der Aufseher, brachte ihm Gefängniskleider und befahl ihm, sich umzuziehen. Als Weiß die Kleidung wechselte, sagte der Aufseher beifällig: „Du bist ja gar nicht nervös."
„Was, kommen hier nur Nervöse rein?" fragte Weiß.
„Dir wird das Spotten schon vergehen", sagte der Aufseher, nahm die Zivilkleidung und verließ die Zelle.
Über einen Monat lang wurde er nicht zum Verhör geholt. Diese ganze Zeit über rief er sich sein Doppelleben als sowjetischer Kundschafter und Mitarbeiter des deutschen Geheimdienstes ins Gedächtnis zurück. Er durchdachte es nach allen Seiten, suchte nach Versäumnissen, Fahrlässigkeiten, Beweisen gegen sich.
Er prüfte seine Arbeit als sowjetischer Kundschafter bald vom Standpunkt Baryschews, bald mit dem durchdringenden Scharfsinn eines Gestapomannes.
Am schrecklichsten schien nur eines, daß er als sowjetischer Kundschafter irgendwo einen unverzeihlichen Fehler gemacht hatte . Was aber, wenn einer von denen, mit denen er in Verbindung stand, den Fehler begangen hatte?
Er dachte an diejenigen, aus denen die „Kette" im Stab „Vally" bestand. Jedem hatte er das Leben wiedergegeben, hatte ihnen sein eigenes anvertraut. In jedem von ihnen steckte gleichsam ein Stück seiner selbst. Nein, er konnte sich nicht mit einem Zweifel an ihnen beschmutzen.
Weiß erfüllte alle Regeln des Gefängnislebens mit äußerster Diszipliniertheit und erwarb sich dadurch das Vertrauen der Aufseher. Er brachte mit einer Bürste den steinernen Fußboden auf Hochglanz, putzte mit einem Lappen die Wände blank. Er machte dreimal am Tag gymnastische Übungen, rieb sich mit einem angefeuchteten Handtuch ab, vollführte in der Zelle lange Spaziergänge und beschäftigte sich mit der „Lektüre" seiner Lieblingsbücher, indem er sich das Gelesene ins Gedächtnis zurückrief.
Weiß fürchtete, daß er, abgeschnitten von der Außenwelt, beginnen würde, die Züge Johann Weiß' zu verlieren. Er zwang sich, Alexander Below aus seinem Gedächtnis zu streichen und seine Erinnerungen auf den Deutschen Johann Weiß zu beschränken.
Erst im zweiten Monat seiner Inhaftierung wurde Weiß vor den Untersuchungsrichter, einen kahlköpfigen Mann in Zivil, gerufen. Mit gleichgültiger Höflichkeit stellte er ihm einige belanglose Fragen.
Den Protesten Weiß' gegen seine unbegründete Festnahme hörte er mit einiger Aufmerksamkeit zu und fragte dann:
„Gibt es Klagen über das Gefängnispersonal?"
„Bis jetzt noch nicht."
„Dann unterschreiben Sie!" Der Untersuchungsrichter schob ihm ein Schriftstück zu. Weiß lächelte boshaft:
„Ich sagte: bis jetzt. Ich kenne unsere Methoden gut genug. Zuerst unterschreibt der Gefangene so etwas, und dann zieht man ihm das Fell ab. Nicht wahr?"
Der Untersuchungsrichter legte das Schriftstück schweigend in die Mappe zurück und befahl dem Posten:
„Bringen
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