Im Labyrinth der Abwehr
Bestätigen Sie den Erhalt auf dem Umschlag."
Als Johann den Umschlag öffnete, sah er den gleichen Ausweis, den ihm Walter Schellenberg bei ihrer ersten Begegnung gezeigt hatte. Nur war diesmal sein Foto darauf.
60
Bald fuhr Johann wieder in die Schweiz. Diesmal war ihm eine Gruppe von drei Mann unterstellt.
Seine Aufgabe bestand darin, in der Schweiz ankommende Leute in Empfang zu nehmen und sie an verschiedene Orte zu bringen sowie festzustellen, ob sie beschattet wurden. Außerdem hatte er die Kuriere aus Berlin zu empfangen und, bevor er sie mit neuem Material wieder zurückschickte, ihre plombierten Taschen aus Stahlgeflecht zu kontrollieren. Waren es Dokumente von äußerster Wichtigkeit, enthielten diese Taschen Minen mit Zeitzünder. Würde der Kurier sich unterwegs aufhalten, würde die Mine ihn und die Dokumente vernichten.
Nachdem er die Tasche in Empfang nahm, mußte er das Geheimfach öffnen, in dem sich die Mine befand, und mit einem Schlüssel mittels einer bestimmten Einstellung das Uhrwerk anhalten. Danach übergab er die Tasche der betreffenden Person. Wenn er den Kurier fortschickte, so zog er das Uhrwerk wieder auf, doch mit einem anderen Schlüssel.
Johann entwickelte ziemlich schnell eine Methode, die es ihm erlaubte, die Dokumente aus der Tasche zu nehmen und sie zu fotografieren. Jedoch durfte er während dieser Zeit das Uhrwerk nicht abstellen, da sonst die Mine explodieren würde. Das Uhrwerk abzustellen, bevor er mit der Arbeit begann, war riskant. Bei einer Kontrolle des Zifferblattes hätte man entdeckt, daß die Mine unschädlich gemacht worden war, bevor die Tasche der bestimmten Person ausgehändigt wurde.
In der Schweiz führte Weiß das Leben eines strengen, sich und den anderen gegenüber anspruchsvollen Pedanten. Er war äußerst pflichtbewußt und so sehr von seiner Arbeit in Anspruch genommen, daß seine Kollegen ihm wegen seiner Ungeselligkeit und puritanischen Strenge aus dem Weg gingen.
Als Weiß wieder in Berlin war, traf er unerwartet auf Hacke, den ehemaligen Funker des Stabes „Vally". Hacke erzählte ihm, daß er sich in der Nacht zum 23. November 1943, als das Gestapogebäude in der Prinz-Albrecht-Straße bombardiert wurde, in der dritten Etage befand, dort, wo der persönliche Stab Himmlers untergebracht war. Wie durch ein Wunder sei er davongekommen.
„Während des Angriffs haben sich alle nur darum gekümmert, die eigene Haut zu retten. Wichtige Dokumente brannten, aber keiner achtete darauf."
„Und Sie?" fragte Johann.
„Nachdem mich damals alle verraten hatten, bin ich zum SD gegangen. Und in jener Nacht habe ich etwas unternommen, um für meine persönliche Sicherheit zu sorgen."
Weiß tat so, als ob er die Andeutung nicht verstand, und bemerkte beifällig: „Natürlich, jetzt wo Sie bei der Gestapo arbeiten, kann Ihnen keiner was anhaben."
„Klar”, meinte Hacke und lud Weiß zu sich ein.
In der Wohnung stellte Johann fest, daß Hacke es verstanden hatte, für sich zu sorgen. Sein Zimmer war vollgepfropft mit antiken Möbeln und Wertsachen. Neben dem Diwan, halb verdeckt von der Diwandecke, bemerkte Weiß einen Panzerschrank, der seltsamerweise umgekehrt auf dem Boden lag.
Johann notierte sich Adresse und Telefonnummer Hackes und versprach ihm, sich wieder zu melden. Er bedauerte, seine Adresse nicht geben zu können, da er in Berlin nur auf einer kurzen Dienstreise war.
Am Abend teilte er Subow über den toten Briefkasten die Anschrift Hackes mit und empfahl ihm, sich für den Panzerschrank zu interessieren, falls das Haus bombardiert oder sich eine andere Gelegenheit bieten würde.
Ein paar Tage später rief Johann Hacke an, der darauf bestand, daß Weiß ihn sofort besuchte.
Er empfing Johann in einer Kattunschürze, die er über die Uniform gebunden hatte. Offensichtlich bereitete er das Abendessen vor.
Mit beiden Händen nahm er Johanns Schirmmütze und legte sie behutsam wie einen Wertgegenstand auf den Kleiderständer.
„Neulich waren Sie noch Oberleutnant, und jetzt sind Sie schon Hauptmann, Hauptscharführer. Und was ist Hacke?" Er schnipste mit dem Finger und grinste. „Aber wissen Sie, mein Lieber, je höher der Posten, den einer hat, desto weniger hört und sieht er. Kennen Sie Leuner? Den haben sie neulich mit ungewöhnlichem Pomp begraben: Kränze von der Partei, vom SD, von der SS und der Reichsregierung. Grabreden. Weinkrämpfe von Frau und Kindern. Am selben Abend fahr ich zu seiner Villa, um mein Beileid
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