Im Labyrinth der Abwehr
vor:
„Sie können ihn Paul nennen."
Regelmäßig fuhren sie zusammen mit Paul in den Grunewald zum Training. Paul brachte ihnen alle möglichen Mordarten bei: mit der blanken Waffe, mit verschiedenen Hilfsmitteln, einem Stück Draht, einem Flaschenhals, auch mit den bloßen Händen.
An einem dieser Tage bat Landsdorf um Weiß' Besuch. Er empfing ihn mit freundschaftlicher Einfachheit, die gleichsam betonte, daß die jetzige Stellung des Gastes sie fast auf eine Ebene stellte.
Gleich bei Johanns Eintritt bemerkte er mit einem spöttischen Lächeln, daß er sich in letzter Zeit wissenschaftlichen Arbeiten gewidmet habe. Er habe für den Reichsführer einen Bericht angefertigt, in dem die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die Partisanenbewegung dargelegt seien. Obwohl das Material, über das er verfüge, ziemlich vollständig sei, sei er zu der Schlußfolgerung gelangt, daß die vollkommenste Form der Organisation von den sowjetischen Partisanen erreicht worden sei.
„Leider sind diejenigen, für die mein Bericht bestimmt ist, selbst jetzt, in diesen für Deutschland so tragischen Tagen, noch so sehr vom Gefühl der deutschen Selbstherrlichkeit erfüllt, daß sie den hohen Wert meiner Ausführungen geringschätzen. Man muß allerdings zugeben, daß diese Art für uns nicht anwendbar ist. Nicht deshalb, weil die Russen eine besondere Technik haben, sondern weil sie sich auf die Teilnahme der Bevölkerung stützen. Sie rechnen nicht so sehr auf berufsmäßig ausgebildete Leute, als vielmehr auf die breiten Volksmassen.
1918 habe ich eine illegale Diversionsgruppe geleitet, die hauptsächlich aus Offizieren bestand. Als die Westmächte Deutschland besetzten, haben wir es verstanden, sie durch ausgezeichnet organisierte Terrorakte zu schrecken. Diese Erfahrungen werden wir unter den heutigen Bedingungen im Osten unseres Landes nutzen.
Auf den Parteiapparat dürfen wir nicht rechnen, da Bormann dieses Kontingent in die Illegalität schickt. Diese Funktionäre werden sich als unsere Opfer ausgeben und nach einer längeren Pause der Zurückhaltung wieder offen beginnen, in der Politik zu wirken, indem sie sich bemühen, die nationalsozialistische Partei unter dieser oder jener Benennung wiederauferstehen zu lassen.
Kurz, wir befassen uns jetzt mit den gleichen Dingen wie damals beim Stab 'Vally', nur daß wir keine Kriegsgefangenen, sondern Deutsche ausbilden. Für einen Teil der Jugend wurden Adolf-Hitler-Schulen gegründet. Einige befinden sich in Ordensburgen. Das mittelalterliche Ritual des Ritterschlages ist wieder eingeführt worden. Das ist sehr nützlich, da es die Vorstellungskraft der Jugend entzündet ..."
Weiß hörte zu und bemühte sich zu begreifen, worauf Landsdorf hinauswollte.
„Übrigens liefert die Gestapo diesen Schulen Leute, die liquidiert werden sollen. Die Schüler praktizieren die verschiedenen Mittel des Verhörs am lebenden Objekt. Und diese jungen Leute machen dabei gute Fortschritte. Ach ja, Fräulein Bucher, Ihre Bekannte, ist auf ihre Bitte hin in eine solche Schule aufgenommen worden. Obwohl sie, unter uns gesagt, eine Hysterikerin ist, steht sie schon an der Spitze der fünf Frauen. Man hat ihr erlaubt, mit Kriegsgefangenen, die bei den Bauern der Nachbarschaft arbeiten, zu üben. Und stellen Sie sich vor, sie betreibt ihr Handwerk so energisch, daß die Bauern bald ohne Arbeitskraft sein werden."
Landsdorf schwieg, schaute Johann bedeutungsvoll an und bemerkte:
„Es versteht sich von selbst, daß wir das Lehrpersonal dieser Schulen nur aus den Mannschaftsbeständen der SS und Gestapo auswählen."
Weiß gab seinem Gesicht einen säuerlichen, müden Ausdruck und sagte:
„Im Grunde genommen erzählen Sie so begeistert, daß ich mich frage, ob Sie mich nicht wieder zu Ihrem Mitarbeiter machen wollen!"
„Ja!" sagte Landsdorf. „Genau das. Weil ich Ihre Erfahrung bei der Abwehr schätze."
„Ich habe nicht die Absicht, meine Stellung zu wechseln. Im übrigen glaube ich, daß ich die Gunst Schellenbergs genieße und ..."
„Das weiß ich alles. Aber ich habe die Möglichkeit, Schellenberg zu überzeugen, daß Ihr Dienst bei uns zweckmäßiger ist."
„Na schön. Ich werde es mir überlegen."
„Bis wann?"
„Das hängt von Ihnen ab."
Landsdorf zog fragend die Brauen hoch.
„Da ich das Recht der Wahl habe, würde ich gern ausführlicher wissen, was Sie mir vorschlagen."
„Ich werde Major Dietrich Befehl geben. Er kann Sie — natürlich in den entsprechenden
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