Im Labyrinth der Abwehr
die Papke für Agenten der Gestapo hielt. Auf der Straße begannen die beiden Beamten mit sandgefüllten Gummischläuchen auf den Mann einzuschlagen. Sie verlangten, daß er irgendein Papier unterschreibe; doch er wollte nicht. Papke selber hatte noch niemand gefoltert, doch er erinnerte sich an besondere Foltermethoden und schlug vor, eine davon bei dem Widerstrebenden anzuwenden. Das half, und der Mann unterschrieb das Papier. Daraufhin hatten ihn die beiden Männer in Zivil einfach stehengelassen und ihm noch zugerufen, er könne den Mann hinbringen, wohin er wolle. Als der Mann wieder zu sich kam, begann er heftig zu fluchen. Und Papke begriff, daß er es nicht mit einem politischen Verbrecher, sondern mit einem Geschäftsmann, dem Teilhaber der beiden, zu tun hatte. Und das Papier, das er unterschrieben hatte, war einfach ein Verzicht auf seinen Gewinnanteil gewesen. Der Mann drohte ihn bei der Gestapo wegen Erpressung anzuzeigen.
Als Papke dem Sturmbannführer Bericht erstattete, tat dieser so, als ob er nicht wüßte, wovon die Rede sei. Er sagte, Papke habe seine Stellung in der Gestapo mißbraucht, indem er sich von einer Bestechung habe verlocken lassen. Darauf stünde Tod durch Erschießen. Sich an die einstige Freundschaft erinnernd, würde der Sturmbannführer den Vorfall nicht melden, aber wenn sich der Geschäftsmann an eine hochgestellte Person wenden sollte, so sei Papke selbst dran schuld.
Während er erzählte, weinte Papke dicke graue Tränen, seine Lippen zitterten.
„Mich, einen alten Nationalsozialisten, so zu beleidigen! Und all das muß ich noch schweigend ertragen!"
„Für mich, Herr Untersturmführer, sind Sie das Vorbild eines Nationalsozialisten."
„Oskar! Nenn mich bitte Oskar." Und dann sagte er offenherzig: „In Lettland hatte ich irgendwie sicheren Boden unter den Füßen. Hier fällt mir jeder Schritt schwer, als ob ich auf Eis ginge." Er seufzte: „In Riga wußte ich nicht nur, was jeder Deutsche im Kopf, sondern auch, was er auf dem Teller hatte. Hier ..." Er machte eine traurige Handbewegung. „Aber denk nicht, daß es mit dem alten Oskar zu Ende ist. Er wird es ihnen schon zeigen. Ich nehme mir die Juden vor. Mit ihnen ist es einfacher. Es steht eine große Aktion bevor. Mit Rücksicht auf meine lange Parteizugehörigkeit haben sie versprochen, mich in eine Sondergruppe aufzunehmen ... Jawohl!" Papke hob drohend den Finger.
„Beruhigen Sie sich doch!" sagte Weiß und machte eine Bewegung, als ob er sich die Zunge abbisse.
„Was ist denn?"
Weiß zuckte mutlos die Schultern.
„Ich fahre einen Lkw, nichts weiter."
„Fährst du Beute?”
„Ja."
„Ist da nichts abzusahnen?"
„Herr Untersturmführer, ich bin ein ehrlicher Mensch."
„Oskar, Oskar", erinnerte Papke böse.
„Mein lieber Oskar, vielleicht braucht ihr einen guten Fahrer, ich stehe immer zur Verfügung."
„Willst du bei uns anfangen?"
„Gern", stimmte Weiß zu. „Aber eigentlich habe ich etwas anderes im Auge. Meine Stellung in der Garage würde sich einfach verbessern, wenn man mich für die Sonderaktion aussuchte. Wenn ich für Ihre Gruppe gearbeitet habe, würde mir Keller sicher weiterhelfen."
„Machen wir", versprach Papke und streckte die Hand aus. Johann drückte sie dankbar.
Papke trank an diesem Abend noch ziemlich viel, und Johann überredete ihn, die Nacht bei ihm zu bleiben. Er half Papke beim Ausziehen, hörte sich sein zusammenhangloses Gestammel an und brachte ihn schließlich ins Bett.
Am Morgen waren Papkes Kleider gebügelt und gesäubert, der Rock war ordentlich über die Stuhllehne gehängt.
Johann sagte, daß das seine Wirtin gemacht habe. Ganz wie er vermutet hatte, schämte sich Papke wegen seiner Trunkenheit. Er ging auf Zehenspitzen hinaus. Als er schon an der Tür war, erinnerte ihn Johann an das gestrige Versprechen.
Papke ahnte nicht, daß Johann selbst mit Plätteisen und Bürste hatte arbeiten müssen, um den Anzug seines Gastes zu reinigen. Doch diese Mühe hatte sich gelohnt: Mit weichem Brot hatte Johann den ' Abdruck der Gestapoblechmarke mit Kennzeichen und Nummer abgenommen. Das Notizbuch und die Bearbeitung anderer Dokumente hatte fast die ganze Zeit bis zum Morgengrauen in Anspruch genommen. Einiges war von Nutzen gewesen, und Johann war Papke aufrichtig dankbar dafür, daß er sich seiner erinnert und ihn besucht hatte.
8
Zu Anfang des Winters verstärkten sich in Lódz die Streifen der Militärpolizei. Die Straßen wurden oft für einige Tage
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