Im Labyrinth der Abwehr
Sie aber selbst saubermachen."
„Selbstverständlich, Frau Ditmar, bei meiner verstorbenen Tante mußte ich auch im Haushalt helfen."
„Wieso Tante?"
„Ich bin Waise."
„Ach je!" rief sie aus, „armer Junge!" und von Mitleid gerührt, lud sie Johann zum Kaffee ein.
Klein gewachsen, dicklich, rundgesichtig hatte sich Frau Ditmar trotz ihres Alters noch Anzeichen einstiger Anmut bewahrt. In einer plötzlichen Sympathieanwandlung begann sie von sich zu erzählen.
Mit sechzehn Jahren hatte sie den Ingenieur Joachim Ditmar, einen fünfzehn Jahre älteren Mann, geheiratet. Der Ingenieur gehörte nicht zu den Geschickten und Erfolgreichen im Leben. Diese Mängel wurden noch durch eine übertriebene Ehrlichkeit vermehrt, für die er von seinem Chef Vorwürfe einstecken mußte. Er starb an einem Herzanfall als Folge einer gewöhnlichen Beleidigung, die ihm der Werkinspektor zugefügt hatte — er hatte ihn einen Dummkopf und Einfaltspinsel genannt. Ditmar hatte Anweisung gegeben, für die Fertigung von Maschinenteilen, die ins Ausland exportiert wurden — Hochlegierungsstahl zu verwenden. Nun entsprach dieses aber weder den politischen Zielen Deutschlands noch den ökonomischen Interessen der Firma.
Woher hätte Ditmar auch wissen sollen, daß Canaris mit dem Einverständnis Görings auf dem Umweg über drei Länder den Verkauf von Waffen an die spanischen Republikaner in die Wege leitete, mit dem Ziel, ihre Kampfkraft zu schwächen? Zu diesem Zweck wurden in der Tschechoslowakei, in den baltischen und anderen Ländern alte Gewehre, Karabiner, Munition und Granaten aufgekauft. In Deutschland wurden die Schlagbolzen abgesägt, die Patronen verdorben, die Pulverladungen in den Granaten verringert. Nach der Umarbeitung schaffte man die Waffen nach Polen, Finnland, der Tschechoslowakei, Holland und verkaufte sie gegen Gold an die Regierung der Spanischen Republik weiter.
Mit ähnlichen unlauteren Geschäften befaßte sich auch die Firma, in der Ditmar gearbeitet hatte: Einzelne, für den Export bestimmte Maschinenteile, fertigte sie nicht, wie es die Technologie erforderte, aus Hochlegierungsstählen, sondern aus minderwertigem Stahl.
Kurz und gut, Frau Ditmar wurde Witwe. Ihr Sohn Friedrich ging an die Berliner Universität, wo er bald durch glänzende mathematische Fähigkeiten auffiel.
Doch wenn der Vater die Politik gemieden hatte, so gab sich der Sohn ihr mit Leidenschaft hin. Er verehrte Hitler, trat in die Hitlerjugend ein und übernahm eine Funktion.
Frau Ditmar träumte davon, daß Friedrich einen bedeutenden Platz in der Gesellschaft einnehmen würde. Sie versagte sich alles, um ihrem Sohn die Möglichkeit einer Ausbildung zu geben. Und nun ..., zweimal im Jahr nur schickte Friedrich Postkartengrüße: einen zu Ostern, den andern zu Weihnachten.
All das erzählte Frau Ditmar Johann in einem Atemzug. Er begriff, daß sie sich danach sehnte, bei ihm die Mutterrolle zu spielen und auf diese Weise den Schmerz über ihren Sohn zu stillen. Johann war nicht unzufrieden damit. Frau Ditmar würde, da sie redselig war, Stadt und Leute gut kannte, ihn mit seiner neuen Umgebung vertraut machen.
In der Garage, wohin er sich am nächsten Morgen begab, empfing man ihn feindselig. Zellenleiter Papke hatte sein Versprechen erfüllt. In SS-Uniform erschien er bei dem Leiter der Garage, dem Gefreiten Keller, und obwohl dieser bereits von Schulz Anweisung erhalten hatte, Weiß fest anzustellen, gab Papke seinerseits die gleiche Anweisung.
Chauffeure, Mechaniker, Schlosser, Wagenwäscher gingen Weiß aus dem Wege, benahmen sich so, wie man sich ihrer Meinung nach zu einem Schützling der Gestapo verhalten mußte.
Johann entschied, daß der Irrtum der Kollegen ihm gelegen kam: Die Isolation befreite ihn von überflüssiger Fragerei und aufdringlichen Freundschaften.
Obgleich Johann nicht der persönliche Chauffeur eines Vorgesetzten war und folglich keinen Gönner hatte, diente ihm der Schatten Papkes als Schutz vor möglichen Auseinandersetzungen mit den Kameraden. Seine Fahrten beschränkten sich nur auf das Gebiet der Stadt, und er fuhr nur unbedeutende Angestellte der Zentralstelle, die offensichtlich von Keller angewiesen worden waren, mit diesem Chauffeur keine unnützen Gespräche zu führen. Johann war bemüht, sich vor diesen Leuten von seiner besten Seite zu zeigen: Er öffnete ehrerbietig den Wagenschlag, half die Koffer tragen, erkundigte sich nach der von den Fahrgästen gewünschten Geschwindigkeit. Wenn
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