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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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Soldaten würden genauso siegreich durch die Straßen Londons marschieren, wie sie jetzt durch Paris marschierten.
    Eine Dame im Brokatkleid mit kurzen, dicken, entblößten Armen erklärte, die beiden Gesprächspartner unterbrechend, in sehr resolutem Ton, daß der Führer, obwohl er die Engländer hasse, wisse, daß Churchill Rußland für den Feind Nummer eins halte, und Mosley habe dem Führer versprochen, diesen so zu beeinflussen, daß die öffentliche Meinung Englands im Interesse der historischen Ziele des Führers liege.
    „Wilma ist unser Ribbentrop", sagte, mit dem Kopf auf die vollschlanke Dame deutend, eine hübsche Blonde im engen hellblauen Kleid.
    Wilma antwortete mit einem schmeichlerischen Lächeln:
    „Eva, du siehst ganz reizend aus. Offenbar bekommt der Herr Brigadeführer Lust zum Anbeißen, wenn er dich sieht."
    Eva lächelte rätselhaft.
    „Das würde ich nicht bestreiten."
    Der Herr im Smoking drehte sich um und applaudierte nachlässig:
    „Bravo, Eva!"
    Johann wurde von keinem der Gäste beachtet, Frau Ditmar dagegen war sofort von allen umringt. Und als Eva, um deren Gunst sich alle bewarben, ausrief: „Zum Teufel mit der Politik! Schließlich sind wir doch Frauen!" verbesserte sie Frau Ditmar streng:
    „Deutsche Frauen, meine Liebe!" Nachdem sie sich neben die Männer gesetzt hatte, fragte sie: „Na, wie ist es, Herbert, mit wem werden wir noch Krieg führen?"
    Paul ließ Herbert nicht antworten:
    „Sie wollten sagen, welche Länder noch Teil Großdeutschlands werden?"
    „Ach, lassen Sie", unterbrach ihn Frau Ditmar ungnädig. „Sie sind hier nicht mit Ihren Chefs zusammen. Wir brauchen uns nicht zu verstellen."
    Aus den folgenden Gesprächen entnahm Johann, daß Herbert als Taxator im Kontor „Paketauktion" beschäftigt war, in dessen Lager das Hab und Gut der Repressalien ausgelieferten Bewohner aus den besetzten Gebieten gebracht wurde. Dieses Kontor verteilte die beschlagnahmten Gegenstände an verschiedene Amtspersonen. Die wichtigsten Wertgegenstände wurden als persönliches Geschenk des Führers für besondere Verdienste überreicht. Und Herbert in seiner Eigenschaft als Experte bestimmte den Wert der als Geschenke bestimmten Gegenstände. Er konnte einen Gegenstand auf hundert Mark taxieren, wenn er in Wirklichkeit tausend wert war. Um seine Gunst bewarben sich die höchstgestellten Persönlichkeiten.
    Aber Herbert war gezwungen, über alle besonders wertvollen Gegenstände seinem persönlichen Vorgesetzten, Himmler, Mitteilung zu machen. Das hatte einen besonderen Grund: In den Jahren der Wirtschaftskrise war Herbert wegen einer Margarineaffäre zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt worden. Er hatte Margarine aus gesundheitsschädlichen Rohstoffen hergestellt, und viele Menschen, besonders Kinder, waren schwer erkrankt und hatten sich Vergiftungen zugezogen.
    Der ehemalige Leiter der preußischen Geheimpolizei und jetzige Leiter des Sicherheitsamtes, der Gruppenführer SS Reinhard Heydrich, hatte Befehl gegeben, Herbert aus dem Gefängnis zu entlassen und in das Kontor „Paketauktion" zu schicken. Heydrich war sicher, daß dieser Mensch, der ihm das Leben verdankte, ihm grenzenlos ergeben sein würde.
    Das war auch der Grund, warum Herbert von so untadeliger Ehrlichkeit in seinen Dienstangelegenheiten war. Von den hier Versammelten wußte niemand etwas davon.
    Angelika, ein Mädchen mit kränklich-bläßlichem Gesicht, zeigte die ungeschickte Aufgeschlossenheit der Backfische. Es schien, als ob ihre mageren Beine und ihre langen, kraftlosen Hände sie irgendwie störten. Das kleine Gesichtchen mit der straffen, durchsichtigen Haut war zu einer Maske der Unbeweglichkeit erstarrt. Ihre großen blauen Augen gaben dem Gesicht einen Ausdruck, als ob ihre Gedanken nicht bei ihren Worten waren.
    Bei Tisch saß Johann neben Angelika. Sie lächelte ihm unbeteiligt zu und sagte, langsam die Worte dehnend:
    „Ist es Ihnen recht, neben mir zu sitzen?"
    Johann, der seine Serviette sorgfältig auseinanderfaltete und auf den Schoß legte, rief aus:
    „Aber Fräulein Angelika, es ist mir ein Vergnügen!" Und freundlich erkundigte er sich: „Was darf ich Ihnen anbieten?"
    „Ich esse fast nichts."
    „Vielleicht einige Blätter Salat?"
    „Nur um Ihnen eine Freude zu machen. Schenken Sie mir bitte Wein ein." Und erst jetzt schaute sie ihn aufmerksam an. „Sind Sie Frontsoldat?"
    Johann schüttelte verneinend den Kopf.
    „Macht nichts, Sie werden es noch", verkündete sie

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