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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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auf einmal hören Sie sich mit ehrfurchtsvoller Aufmerksamkeit die dümmsten Reden von der Überlegenheit der deutschen Rasse an."
    „Sie hören sie sich doch auch an."
    „Wegen Vater. Ich tue das deshalb, um die Familie vor bösem Klatsch zu bewahren."
    Einmal lud sie Johann zu sich nach Hause ein. Hugo Jord, Linas Vater, war ein erfahrener Seemann. Bedächtig, ruhig, mit blassen, zusammengekniffenen Augen. Er war nicht allzu groß, doch stämmig, breitschultrig, mit schweren Händen. In den schmalen Mundwinkeln des fest zusammengepreßten Mundes zeichneten sich zwei tiefe Längsfalten ab.
    Johann gefiel Hugo sehr, doch er vermied es, mit ihm zusammenzukommen. Die Deutschen sprachen über Hugo wie über einen Sonderling. Der Umgang mit ihm konnte Weiß schaden.
    Aus dem gleichen Grunde war er auch gezwungen, im Umgang mit Lina vorsichtig zu sein. Sie hatte das anfangs Johanns Schüchternheit zugeschrieben und forderte ihn deshalb auf, sie nach den Abenden des Volksbundes nach Hause zu bringen.
    Er verspürte eine heimliche Neigung zu diesem Mädchen und empfand Schmerz darüber, daß er sich verstellen, seine Überzeugung und seine Gedanken verbergen mußte. Er schwieg sich finster aus, beeilte sich, sie schneller nach Hause zu bringen.
    Und erst, wenn er allein nach Hause zurückkehrte, ließ er seinen Träumen freien Lauf, sagte er in Gedanken das, was er dem Mädchen hatte sagen wollen.
    Er hörte auf, sich mit Lina zu treffen. Und einige Zeit später heuerte Hugo Jord auf einem norwegischen Tanker an, und die Familie verzog nach Oslo.
    Jetzt, wo er in diesem Zimmer saß und Angelika anschaute, ohne die geringste innere Erregung zu verspüren, überlegte er ruhig, wie er sich gegenüber diesem Mädchen verhalten müsse, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ihre Offenheit herauszufordern.
    Inzwischen reichte man den Nachtisch. Johann geriet wieder neben Angelika.
    „Wie finden Sie Litzmannstadt?" fragte Angelika nachlässig, als ob sie ihren Tischnachbarn erst jetzt bemerkt hätte.
    „Wenn es Ihnen gefällt, so bin ich bereit zuzugeben, daß es eine bemerkenswerte Stadt ist."
    „Aber es gefällt mir nicht."
    „Dann mir auch nicht."
    Angelika hob die Brauen:
    „Haben Sie keine eigene Meinung?"
    Johann schaute ihr offen ins Gesicht und sagte:
    „Mir scheint, Sie sind daran gewöhnt, daß alle hier im Hause Ihrer Meinung sind."
    „Denken Sie so von mir?"
    „Es scheint so."
    Nach einer Pause fragte sie: „Gefällt es Ihnen bei uns?"
    „Ich könnte sagen, daß das, was mir hier am meisten gefällt, Sie sind. Aber ich sage es nicht."
    „Wieso?”
    „Sie haben mir gegenüber Gastfreundschaft bezeigt, und ich muß Frau Ditmar dafür dankbar sein. Offensichtlich hat sie von mir gesprochen und um etwas gebeten."
    „Möglich."
    „Also, wenn ich zu Ihnen sage, daß Sie mir sympathischer als alle andren sind, so werden Sie das für Heuchelei halten."
    „Sie sind, wie es scheint, ein ziemlich freimütiger Mensch."
    „Es würde mich freuen, wenn Sie das begriffen."
    „Sie meinen, wenn ich imstande wäre, das einzuschätzen?"
    „Genau damit habe ich gerechnet."
    „Aber Sie sehen mich das erstemal, woher nehmen Sie diese Sicherheit?"
    „Eingebung", sagte Johann.
    „Und wenn Sie sich irren?"
    Johann machte eine Handbewegung: „In dem Fall wird, wenn ich einmal Kinder haben werde, ihr Vater Chauffeur bleiben."
    „Und Sie möchten gern, daß ihr Vater General wird?"
    „Wie Sie befehlen", scherzte Weiß.
    „Gut", sagte Angelika, „darüber befinden wir noch." Dann, einige Minuten später; sagte sie ernsthaft: „Offenheit gegen Offenheit. Ich schätze Frau Ditmar sehr. Es gibt Umstände, die mich zwangen, ihre Bitte zu erfüllen. Wissen Sie davon?"
    Weiß schwankte einen Augenblick, dann entschied er sich:
    „Liebt Friedrich Sie?"
    „Jetzt? Ich glaube nicht. Aber Frau Ditmar liebe ich wie meine zweite Mutter."
    „Entschuldigen Sie", sagte Weiß, „ich wollte nicht ..."
    „Schweigen Sie", befahl Angelika. „Kurz gesagt, ich habe ihr die Bitte natürlich erfüllt. Und wie Sie sehen, habe ich Sie, ohne Sie zu kennen, eingeladen. Übrigens tut es mir nicht leid. Ich habe sie so satt, diese brutalen Karrieristen ..."
    „Aber auch ich möchte gern eine bessere Stellung haben."
    „Eine bessere Stellung haben", wiederholte sie verächtlich. Sie beugte sich zu ihm vor, schaute ihn mit weitgeöffneten Augen an und fragte tonlos: „Sie denken, daß Friedrich ein Mensch mit entwickeltem Machtgefühl

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