Im Labyrinth der Abwehr
war? Unsinn. Ich glaube, daß er nur deshalb zu den Nazis gegangen ist, um seinen greisen Professor, den sie aus der Universität geworfen haben, zu retten. Nach meiner Meinung ist Friedrich ein Sklave der Wissenschaft, ein Mensch, der sich seine Zukunft verbaut."
„Und Sie?"
„Wenn ich auch nicht so eine Schönheit wie Eva Braun bin, so will und werde ich mit Hilfe meines Kopfes dahin kommen, wohin ich will."
Als Frau Bucher die Tafel aufhob, nahm Angelika Weiß mit in die Küche.
Weiß lenkte das Gespräch auf seine Arbeitskollegen. Er sprach über die rauhen Sitten in diesem Milieu. Er klagte, daß man ihn aus Neid auf einen Lkw gesetzt hatte. Da würde er lieber an die Front gehen, als ein solches Leben unter neidischen, ungebildeten Menschen zu leben, die zu jeder Gemeinheit fähig waren, nur um nicht der Kampftruppe zugewiesen zu werden.
Angelika hörte aufmerksam zu, und aus den Fragen, die sie stellte, war zu erkennen, daß Johann zweifellos in der Meinung Fräulein Buchers gestiegen war.
Angelika fragte, ob er Freunde habe.
Weiß antwortete traurig:
„Ich hatte einen richtigen Freund — Heinrich Schwarzkopf, aber der lebt jetzt in Berlin bei seinem Onkel, dem Sturmbannführer Willi Schwarzkopf." Und vorsichtig fügte er hinzu: „Wenn er hier wäre, dann ginge es mir nicht so schlecht. Übrigens, Willi Schwarzkopf hat sich einmal um mich gekümmert: Auf seine Empfehlung hat man mich in der Garage genommen."
„Und würde er Sie wieder empfehlen?" fragte Angelika teilnahmsvoll.
„Ich weiß nicht ..., möglich", sagte Johann mit einem leichten Zweifel in der Stimme. „Wenn sich Heinrich meiner erinnert, so wird der Sturmbannführer, glaube ich, es ihm nicht abschlagen."
Einige Tage später erfuhr Johann von Frau Ditmar, daß Oberst von Salz auf Bitten Angelikas telefonisch mit den Schwarzkopfs gesprochen hätte und daß diese eine günstige Beurteilung über Weiß gegeben hätten. Alle seine Papiere von der Staatlichen Siedlerstelle seien dem Abwehrdienst übergeben worden. Und wenn von seiten der Gestapo nichts vorliege, so werde man Weiß als Chauffeur beim Stab der Abwehr einstellen. Es würde allerdings noch einige Zeit dauern, bis die Gestapo dazu ihre Einwilligung gebe.
10
Major Axel Steinglitz hatte seine Laufbahn als Agent noch vor dem ersten Weltkrieg begonnen. Als Sohn eines armen Bauern schämte er sich seiner niederen Herkunft und war deshalb mit besonderer Hartnäckigkeit bemüht, die Offizierslaufbahn einzuschlagen. Damals galt der Beruf eines Spions noch nicht als ehrenhaft.
Der Krieg und besonders die Nachkriegsjahre veränderten die Lage. Der Beruf eines Spions erwies sich als ein mit allen romantischen Farben geschmücktes Heldentum. Über die „schwarzen Ritter" schrieb man viel, man bewunderte sie, umgab sie mit Legenden.
Steinglitz war nicht auf die Liste der Spione gesetzt worden, deren Geheimhaltung von der Reichsregierung aufgehoben wurde. Doch da er den Reihen des Sonderdienstes angehörte, war er viele Jahre gezwungen, sich von seiner Offiziersuniform zu trennen. Erst jetzt, wo Hitler seinen Marsch durch ganz Europa begann, trug er wieder Uniform, wurde er befördert.
Canaris, der Chef der Abwehr, kannte Steinglitz, seine Schwächen und seine Stärken. Eine seiner Schwächen war der eitle Drang nach Anerkennung im höheren Offizierskorps. Eine seiner Stärken die Bereitschaft, dafür zu jeder Schurkerei fähig zu sein. Dazu kamen noch große Erfahrung und die Fähigkeit, seine Ziele mit allen beliebigen Mitteln zu erreichen, von denen er eine einzigartige Sammlung besaß.
Nachdem Weiß Chauffeur des Majors geworden war, hatte er in den ersten Tagen eines gelernt: Dieser geschniegelte und gebügelte Mensch mit den zwinkernden Eulenaugen und dem hageren, fast lippenlosen Gesicht, der sich nicht eine überflüssige Bewegung erlaubte, war zugleich seine größte Gefahr, wie er seine größte Hoffnung war.
Canaris nachahmend, sprach Steinglitz mit weicher, ruhiger, einschmeichelnder Stimme und war bemüht, dem Lieblingsspruch seines Chefs zu folgen: „Ein Mensch wird Ihren Standpunkt teilen, wenn Sie ihn nicht reizen; erst dann wird er vernünftig sein."
Die ihm erteilten Aufträge führte Steinglitz mit pedantischer Gewissenhaftigkeit aus. Methode und Verfahren seiner Aktionen entlehnte er den Praktiken der berühmtesten Berufsverbrecher und den Archiven der Kriminalpolizei.
Auf sein Konto kamen einige meisterhaft ausgeführte Morde. Aber weder kannte er die
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