Im Labyrinth der Abwehr
seinen Verdiensten. Canaris war mit der englischen Polizei noch enger als Heydrich verbunden. Unter Ausnutzung seiner Verbindungen hatte er erreicht, daß Schermann einwilligte, Mitarbeiter des Intelligence Service zu werden. Entsprechende Beweise über Schermanns Stellungswechsel wies der Intelligence Service Canaris vor, und dieser legte sie, in der Absicht, sich in der bewußten Sache aus der Abhängigkeit Heydrichs zu befreien, erst diesem, dann Himmler vor, nachdem er versichert hatte, daß über den Verrat des Gestapo-Agenten nur zwei Mann wüßten: Himmler und Canaris. Einen dritten gebe es nicht und würde es nicht geben. Und damit stimmte Canaris sogar Himmler für sich günstig.
Was Steinglitz betraf, so beförderte ihn Canaris und betonte vor Heydrich die Untadeligkeit seines Untergebenen. Doch von da an verlor Steinglitz das Vertrauen seines Chefs, und obwohl er Major der Abwehr blieb, konnte er nur noch mit zweitrangigen Aufträgen rechnen.
Der Major jedoch verließ sich selbstsicher auf seine Berufserfahrung. In den Septembertagen 1939 stellte er aus der in Polen ansässigen deutschen Bevölkerung Terroristengruppen zusammen und rechnete auf Anerkennung. Doch seine Verdienste wurden nicht bemerkt, und er zog sich, die Gelegenheit einer Fußverletzung nutzend, auf längere Zeit in ein Sanatorium zurück. Nach seiner Genesung erhielt er das zweifelhafte Amt eines Inspektors einer Schule für Agenten und Diversanten, deren Tätigkeit gegen die Sowjetunion gerichtet war. Doch der Major war ein Spezialist für westliche Länder. Die russische Sprache beherrschte er nicht, von der Sowjetunion hatte er höchst unklare Vorstellungen.
Steinglitz nutzte die Gelegenheit eines längeren Aufenthalts in Lódz und begann bei verschiedenen hochgestellten Persönlichkeiten aufdringliche Besuche zu machen, in der Hoffnung, mit ihrer Protektion eine festere und dauerhaftere Stellung zu erlangen. Er kam nicht mit leeren Händen. Durch Herbert, dessen Margarine-Affäre ihm aus den Akten der Kriminalpolizei bekannt war, kam er an Kunstgegenstände und verschenkte sie großzügig weiter.
Herbert aber, der das mangelnde Kunstverständnis des Majors kannte, drehte ihm geschmacklose Kopien an.
Johann, der den Major auf seinen Beutetouren zu fahren hatte, kam plötzlich hinter die Machenschaften Herberts. Hier, im Lager Herberts, entschloß er sich eines Tages, den ersten entscheidenden Schritt zu tun, um die Aufmerksamkeit von Steinglitz auf sich zu lenken.
Entschlossen ging er in einen dunklen Winkel, beleuchtete mit der Taschenlampe die Stellagen, auf denen absichtlich nachlässig umgeworfene Bilder alter Meister lagen, und sagte laut und bedeutungsvoll, obwohl er wußte, daß solche Kühnheit mißfallen konnte:
„Herr Major, hier ist ein Gegenstand, der Ihre Aufmerksamkeit verdient: Jean-Etienne Liotard, achtzehntes Jahrhundert, ein Original!"
Herbert erblaßte.
„Herr Major, das ist unmöglich! Das ist für die persönliche Sammlung des Herrn Feldmarschalls bestimmt ..."
Johann, der das Bild in Papier einpackte, sagte nachlässig:
„Nur für den Fall, daß der Herr Gruppenführer SS darauf verzichtet", und nahm, das Bild unter den Arm klemmend, vor dem Major Haltung an.
Dieser winkte mit dem Handschuh: „Ab!“
In den beiden nächsten Tagen ließ Steinglitz wie sonst seinen toten Blick über Johanns Gesicht gleiten, ganz so, als ob er ihn nicht sehe. Am Morgen des dritten Tages brummte Steinglitz schläfrig: „Name?”
„Soldat Johann Weiß, Herr Major!"
Und in der Nacht, als Johann den Major ins Hotel fuhr, erkundigte sich Steinglitz genauso matt und schläfrig:
„Wer ist dein Vorgesetzter?"
„Herr Major Steinglitz!"
„Gut, gut so."
Und wieder einige Tage nur das kaum vernehmbare kurze Brummeln des Majors, mit dem er seine Befehle erteilte.
Dann, eines Morgens, vernahm Weiß plötzlich merkwürdige glucksende Laute. Erschrocken drehte er sich um. Der Major schaute ihn mit starren, gleichsam gläsernen Augen an, doch seine Lippen krümmten sich vor Lachen:
„Hast du gut verdient, als du mit Bildern gehandelt hast?"
Weiß erriet das Provozierende dieser Frage.
„Nein", sagte er, „ich habe nicht mit Bildern gehandelt. Ingenieur Schwarzkopf, bei dem ich gearbeitet habe, war Sammler, und da habe ich einiges mitbekommen."
Nach einer längeren Pause sagte Steinglitz, ohne die Lippen zu öffnen:
„Das Bild aus der 'Paketauktion' hat sich als Fälschung erwiesen, man mußte es
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