Im Labyrinth der Abwehr

daß es augenblicklich wirkt, ein Schluck — und aus!"
    „Wer sagt das?" fragte Weiß. „Die, die es ausprobiert haben?"
    „Hast recht." Meise lachte schallend.
    Hacke wurde wütend.
    „Scheiße!" sagte er, „dieser ganze Einsatz. Man hat mir zu verstehen gegeben, daß solche Herren wie Gerd tabu sind. Wie gefällt Ihnen das?"
    „Soviel ich verstehe", sagte Weiß, „haben die Großindustriellen und Bankiers den Führer vom Beginn seiner Laufbahn an unterstützt; ich gebe Ihnen den guten Rat, das nicht zu vergessen."
    „Ja, das stimmt. Aber ich habe Blut für den Führer vergossen. Mit den Gestapoleuten geht man nicht so wie mit mir um, die schickt man nicht raus, die arbeiten im Hinterland ..."
    „Und warum ist das Los auf Sie gefallen?"
    „Weil ich so wie viele andere alte Kämpfer zuviel weiß, weil", Hacke klopfte sich auf den Rücken, dort, wo sich wie ein Buckel der Fallschirm erhob, „weil es so weniger Zeugen gibt. Röhm hat uns gewarnt, er hat gesagt, daß der Führer auf unsere Kosten einen Kuhhandel machen würde. Und das ist dabei rausgekommen: Herr Gerd ist ein wichtiger Mann. Und ich, ein alter Kämpfer und Nationalsozialist, bin diesem Fabrikanten ausgeliefert ..."
    „Herr Hacke", sagte Weiß tadelnd, „ich möchte Ihre Ansichten nicht hören."
    „Das sind nicht meine Ansichten."
    „Wessen denn?"
    „Ach, du denkst", erklärte Hacke grob, „mir ist es gleichgültig, mit wem ich zusammenarbeite? Nein, mein Lieber, ganz und gar nicht. Ich habe dir schon auf den Zahn gefühlt. Verstanden?"
    „Und was weiter?”
    „Weiter nichts. Du hältst dich für einen Engel. Nur fürchte ich, die Sowjets werden sofort dahinterkommen, was du für einer bist."
    „Wieso?"
    „Du bist zu sehr Deutscher; einer von denen, die es in der Hitlerjugend eingehämmert bekommen haben, wie ein Deutscher sein muß." Während Johann Hacke zuhörte, hatte er die Flugzeit abgestoppt. Nach seiner Berechnung mußte das Flugzeug die Front überflogen haben und sich jetzt über sowjetischem Gebiet befinden. Doch die Motoren arbeiteten in immer gleichem Rhythmus, die Maschine setzte nicht zur Landung an.
    Johanns Gedanken arbeiteten fieberhaft. Er mußte sich sofort des Funkgeräts bemächtigen. Er mußte das Zentrum über die Gefahr informieren, die die Gruppe mit Nagel darstellte, mußte aber auch über seinen Landeort Meldung machen. Aber wie sollte er an das Funkgerät herankommen, wie die Waffe anwenden?
    Er konnte Hacke und auch Meise noch in der Luft erschießen, wenn sie unter ihm hingen: er würde ja als letzter springen. Doch dann würde auch er unwiederbringlich ums Leben kommen, der Gefreite der Abwehr Johann Weiß, ein wertloser Mensch. Und seine Pflicht war es, Weiß zu retten, ihn zu erhalten und wieder dorthin zu bringen, wo er jetzt hingehörte.
    In die Kabine kam der Kommandant der Maschine und befahl, sich fertig zu machen.
    Als erster sprang Hacke, hinter ihm Meise.
    Der helle Sternenhimmel hing wie ein Meer über Johanns Kopf. Er begann auf der einen Seite die Schnur zu raffen, um in einigem Abstand von seinen Gefährten zu landen, wobei er auf die Möglichkeit einer zufälligen Begegnung mit einem seiner Landsleute rechnete.
    Als er nach unten, auf die auf ihn zukommende Erde blickte, bemerkte Johann ein klares und deutliches Netz von Feldrainen, die von der dünnen Schneedecke nicht bedeckt waren, ein Stück weiter tauchte eine Kirchturmspitze auf. In russischen Dörfern gab es aber keine spitzen Kirchtürme! Das war also das Rätsel, dessen Lösung er solange vergeblich gesucht hatte.
    Johann raffte schnell die Schnur, jetzt, um seinen Gefährten näher zu sein. Doch es war schon zu spät. Er zog die Beine an, fing den Anprall auf und ließ sich auf die Seite fallen.
    Er schnallte den Schirm ab, vergrub ihn und lief zum Landeplatz seiner Gefährten. Doch plötzlich blieb er stehen, holte die Pistole hervor, hockte sich hin, nahm die Pelzmütze ab, steckte die Hand mit der Pistole hinein und drückte ab.
    Es gab ein Knacken. Der Schuß ging nicht los. Er zog aus den Handgranaten den Zünder hervor und besah ihn sich: Das Messingröhrchen mit dem Sprengstoff war leer.
    „Raffiniert. Also so was haben sie mit mir eingefädelt. Na, schön." Johann lief schon nicht mehr, er rannte über die Lichtung zu dem dunklen Waldrand, wo ihn seine Gefährten erwarteten.
    Hacke saß bereits am Funkgerät.
    „Befehl lautet: die Lichtung geradeaus weiter verfolgen, in ein Försterhaus, dort weitere Befehle