Im Labyrinth der Abwehr
auseinanderlaufenden Soldaten.
Hinter einem Schuppen stand ein Motorrad. Im Beiwagen saß ein Soldat. Er hatte keine Zeit mehr aufzustehen, Johann schlug ihm mit dem Pistolenknauf auf den Kopf. Auf der Chaussee angelangt, gab er Vollgas. Er erinnerte sich, in welcher Richtung er die Kirchturmspitze gesehen hatte. Das war eine größere Ortschaft. Sicher war dort eine deutsche Kommandantur.
Er fuhr durch die Hauptstraße. An den zahlreichen Wagen, die vor dem größten Gebäude standen, orientierte er sich mühelos. Er bremste unmittelbar vor den Füßen des erstaunten Wachpostens. Im Befehlston sagte er:
„Zum Herrn Kommandanten! Äußerst wichtige Meldung!"
Man führte ihn in das Gebäude. Der wachhabende Offizier forderte eine Erklärung, bevor er dem Kommandanten Meldung machen wollte. Weiß stampfte mit dem Fuß auf.
„Sie Etappenhengst! Uns landen sowjetische Fallschirmspringer vor der Nase, und Sie wagen es, vor einem Mitarbeiter der Abwehr den Stabsadjutanten zu spielen!" Herrisch stieß er mit dem Fuß die Tür auf und ging ins Kommandantenzimmer.
Sich an der Vernichtung der sowjetischen Fallschirmspringer zu beteiligen, lehnte Weiß ab, indem er sich auf die Notwendigkeit berief, dem Funker dringend eine Meldung über das Vorgefallene an den Stab „Vally" diktieren zu müssen.
Nachdem der Stab „Vally" gezwungen war, die Zugehörigkeit Johanns zur Abwehr zu bestätigen, wurde der wachhabende Offizier äußerst freundlich und stellte Johann sogar seine zweite Uniform zur Verfügung.
Weder seine Gefährten noch die, die, auf ihn Jagd gemacht hatten, bekam er zu Gesicht. Man hatte ihn offensichtlich auf Befehl des Stabes „Vally" für vierundzwanzig Stunden einer respektablen und mit allem Komfort verbundenen Quarantäne unterworfen. Und erst nachdem Steinglitz und Dietrich eintrafen und Weiß ihnen in einem vertraulichen Gespräch schwören mußte, daß er über das Vorgefallene genauso berichten werde, wie abgesprochen, ließen sie ihn frei. Und nicht nur das: Beide Offiziere schätzten sein Verhalten als heldenhaft ein.
In dem folgenden Bericht hieß es, daß in dem und dem Bezirk eine Gruppe sowjetischer Fallschirmspringer abgesprungen sei. Bei ihrer Vernichtung seien gefallen — es folgten die Namen der Mitglieder der SS-Einheit, die das Unternehmen durchgeführt hatte, und auch der Name des Soldaten der deutschen Kommandantur, der bei dem Schußwechsel mit denjenigen gefallen war, die man für sowjetische Fallschirmspringer gehalten hatte.
Meise wurde am selben Tag wegen Verrats erschossen.
Hacke hatte nicht mehr standgehalten, als der „Kommissar", der ihn nach den Schlägen verhörte, erklärte, daß er ein Gestapomann sei. Hacke hatte dabei zugegeben, daß er zwar Mitarbeiter der Abwehr sei, doch mit der Gestapo nichts zu tun habe. Er erklärte, die Abwehr sei ein militärischer Spionagedienst, deshalb dürfe man ihn nicht hängen, sondern müsse ihn so wie einen normalen Kriegsgefangenen behandeln.
37
Der Aufenthalt in dem Keller war an Johann nicht spurlos vorübergegangen. Er bekam eine Lungenentzündung. Doch das Lazarett lehnte er entschlossen ab.
Landsdorf besuchte ihn einige Male während seiner Krankheit. Er murmelte irgend etwas über die Ehre, einen Waffenrock zu tragen. Er sagte, daß die Schwäche Hackes ein Schandfleck für die Abwehr sei.
Weiß machte sich keine Sorgen: Seine Beförderung zum Unteroffizier war bereits unterschrieben, und außerdem erhielt er für seine Teilnahme an der Vernichtung einer sowjetischen Agentengruppe das Eiserne Kreuz zweiter Klasse.
Dietrich gegenüber verhielt sich Weiß kühl und zurückhaltend, wobei er auf jede Art und Weise betonte, daß er sich nicht mit der Beleidigung abfinden könne, einer Zuverlässigkeitsprüfung unterworfen worden zu sein. Er erinnerte daran, daß er es war, der Dietrich nach dem Zwischenfall mit Phase gerettet hatte, und diese Überprüfung erklärte er sich nicht anders, als daß der Hauptmann sich von dem Zeugen seines dienstlichen Schandflecks habe befreien wollen.
Und er erklärte ganz entschieden, daß er damit nicht hinter dem Berge halten wolle ...
Schließlich ließ Weiß durchblicken, daß er Dietrich, der ja diese unsinnige Überprüfung eingefädelt hatte, für den eigentlich Schuldigen am unrühmlichen Tod der tapferen SS-Leute und des Soldaten von der Kommandantur halte.
Warnend sagte er, daß er, da er schon einmal die Hinterlist Dietrichs habe zu spüren bekommen, sich jetzt gesichert
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