Im Labyrinth der Abwehr
abwarten."
Die Forsthütte war leer und halb verfallen. Neben dem Ofen sah Johann die halbverbrannten Reste einer polnischen Fibel, auf dem Fensterbrett eine leere staubige Konservenbüchse mit einem dänischen Etikett.
Johann trug in Gedanken alles, was er bemerkt und entdeckt hatte, zusammen und überzeugte sich endgültig davon, daß er der Gegenstand einer von Dietrich ersonnenen und improvisierten Zuverlässigkeitsprüfung geworden war. Und das Bewußtsein, daß er jetzt nicht aufs Geratewohl handeln durfte, erweckte in ihm Mut und Selbstsicherheit.
Weiß verbot Feuer anzumachen. Man aß kalt zum Abendbrot. Er befahl Meise, die erste Wache zu übernehmen.
Im Morgengrauen wurden sie verhaftet.
Meise saß am Boden, zitterte,. stöhnte und hielt die Hand über den blutigen Kopf. Der gefesselte und sich krümmende Hacke knirschte mit den Zähnen. Ihn hatte man nicht geschlagen, wie man auch Weiß nicht geschlagen hatte.
Zwei ausgegrabene Fallschirme wurden als Beweisstücke in die Hütte getragen.
Hacke und Weiß wurden in den Keller der Försterei gebracht und dort eingeschlossen.
Das hieß, daß man sich entschlossen hatte, das Verhör mit Meise zu beginnen.
Sie hatten saubere Arbeit geleistet, diese Burschen. Doch wenn es Leute vom sowjetischen Sicherheitsdienst waren, warum befehligte sie dann ein Bataillonskommissar? Und warum hatten sie sofort die beiden Fallschirme genau auf der vorgesehenen Absprungstelle und nicht den dritten gefunden, den Weiß nicht an der ausgemachten Stelle, sondern nur mit ein bißchen Erde bedeckt, etwas entfernter davon vergraben hatte? All das bestätigte seine Vermutung.
Während sie in den Keller gebracht wurden, schimpfte einer der Leute unaufhörlich und wie aufgezogen. Die anderen tauschten leise und kurze Sätze aus, die sie mit Gesten verdeutlichten, so, als wenn sie nicht sicher waren, daß sie sich verständlich gemacht hatten.
Der Bataillonskommissar trug Glacéhandschuhe. Komisch, dachte Johann, bei einer Kampfhandlung trägt er Glacéhandschuhe. Es war offensichtlich, daß er nicht damit rechnete, schießen zu müssen.
Und warum rechnete er nicht damit? Weil er sicher war, daß er deutsche Fallschirmspringer festgenommen hatte.
Durch ein hölzernes Abzugsrohr in der Kellerdecke drangen das Gejammer und die Schmerzensschreie Meises.
Hacke fragte heiser:
„Hörst du? Von mir bekommen die Russen keinen Laut zu hören. Sollen sie mir ruhig das Fell abziehen. Vielleicht wollen sie uns hier bei lebendigem Leibe erfrieren lassen?"
„Ich glaube nicht", sagte Weiß.
„Hast du Angst?" fragte Hacke.
„Bis jetzt noch nicht."
Meise hörte auf zu schreien. Hacke wurde aufgerufen. Die Tür schlug hinter ihm zu. Johann blieb allein. Er lauschte. Außer dem Lärm, dem Fall eines Körpers und dumpfen Schlägen war nichts zu hören. Dieser Hacke war ein zäher Bursche!
Johann hatte jetzt keinerlei Zweifel mehr, wie er sich verhalten müsse. Er war nur darum besorgt, sich in dem Keller nicht zu erkälten. Nur nicht still sitzen! Er sprang auf, bewegte die Finger und Fußzehen, ging hin und her.
Endlich wurde er gerufen.
Der „Kommissar" saß hinter dem Tisch. Er hatte genau wie vorhin seine Handschuhe an. Auf dem Boden lag Meise und gab keinen Laut von sich, Hacke stand mit erhobenen Händen, das Gesicht zur Wand, und stöhnte. Die Hosen hingen ihm herunter, der bloße Körper zeigte angeschwollene Striemen.
In einer Ecke saß ein Soldat am Funkgerät.
Johann warf einen schnellen Blick auf die Skala des Funkgerätes. Der Zeiger zeigte auf die Wellenlänge, auf der der Sender des Stabes „Vally" arbeitete.
Der Funker stand auf und gab dem „Kommissar" einen Streifen mit dem empfangenen Funkspruch. Er las ihn durch und zerriß das Papier. Mit einem Kopfnicken auf den am Boden liegenden Meise deutend, sagte er:
„Der da hat euch verraten. Ihr seid als Diversanten in unserem Hinterland abgesprungen." Er hob den Finger: „Du bist Johann Weiß, und das ist Siegfried Hacke." Er holte seine Pistole aus der aufgeknöpften Pistolentasche, zielte auf Weiß und befahl: „Na? Hopp, hopp! Ist dir die Sprache eingefroren? Na, schön. Wir werden dir schon einheizen."
Johann nahm seinen Schemel, schob ihn langsam bis zum Tisch, hob ihn dann plötzlich hoch und ließ ihn auf den Offizier niedersausen, während er ihm mit der linken Hand gleichzeitig die Waffe entriß.
Er schlug sich bis zur Tür durch. Schießend lief er über den Hof und feuerte in die
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