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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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hierher gebracht. Seine jüngeren Geschwister dagegen schmachteten im Kloster. Etwas gluckste in ihm. Bist du sicher, dass er es war? Der Stachel sprach. Nicht jetzt, Philipp versuchte es zu überhören. Stachel, so nannte er das Dunkle in ihm, das ihn piesackte, anstachelte und dann wollüstig durchströmte. Als Kind hatte Vater bei einem Versuch einen lebenden Skorpion in Öl geworfen, ihn dann erhitzt, bis sich sein Stachel löste. Ein Mittel gegen die Pest wollte er herstellen. Oheim Christoph fischte den Stachel heraus und bestrich den kleinen Philipp damit. Er weinte und Christoph lachte. Mit fünfzehn war der Stachel in Philipp selbst gewachsen, als er den Luthergrafenbalg fast ertränkte, mit siebzehn, als die Magd auf dem Altar brannte, wollte er am liebsten noch nachlegen. Andere verendeten und er erbebte vor Lust. Dann war er zum Stachel des Mannes geworden, der eine Frau besaß, mit der er alles anstellen konnte, was er wollte, und nun bot er sich an, ihm zur Macht zu verhelfen. Besser der Stachel schwieg. Beten, Kirche und Gott, würde von jetzt an sein Handeln lenken, Glanz und Reinheit, da war kein Platz für Hohngelächter. Mutters Wandel, von der alleinigen Anbetung Jesu Christi, wie es die Lutherischen taten, bis zur Aufspaltung der Gebete an unzählige Heilige, war ihm bisher gleichgültig gewesen. Er nahm teil, so wie man sich die Kleider an- und auszog oder sich den Arsch wischte, damit er nicht juckte. Der Stachel lachte. Ja, solche Derbheiten mochte er. Das Fuggerlachen hatte er ihm auch beigebracht, durch das Dunkle des Stachels und seine Stimme klang es so voll und tief aus der Brust. Luthers These: ›Allein aus Gnade‹ dem Fegefeuer zu entgehen, musste einem Fugger schon aus Geschäftsgründen widerstreben. Nur durch Handeln, durch Pilgerreisen und Ablassbriefe konnte man die Sünden tilgen und von ewiger Verdammnis errettet werden. Wenn die Ketzer sich weitervermehrten, bräuchte es kein Papsttum, keinen Ablass und auch keine Fugger mehr. Wollten sie ihm das zu verstehen geben? Er sollte auch den Rest Ketzertum in seiner Familie tilgen, da wo die Brilliantenfinger von Canisius nicht hinreichten. Oder sollte er von jetzt an nur noch in Engelszungen reden? Er, der Auserwählte, der zukünftige Regent und Alleinherrscher der Fuggergesellschaft. ›Hoho, du willst dich auf eine Lichtgestalt verlassen, die dich überstrahlt?‹, pflanzte ihm der Stachel ein. Ja, der Himmelsvater würde ihm helfen. Er würde den Papst nicht enttäuschen, koste es, was es wolle.
     
    Im Unterricht spähte Philipp ständig auf den Hof und hielt nach dem Schweizergardisten Ausschau. Vikar Borgia schalt die Fuggersöhne im selben Wortlaut wie Canisius, nur vollständig auf Latein, und zerschlug schließlich seinen Zeigestab auf dem Katheder in Stücke, um wieder ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Auch Octavian war nicht bei der Sache, schlief auf dem Pult ein. Kein Wunder, er verbrachte kaum noch eine Nacht im Kolleg. Mehrmals hatte er Philipp um ein paar Münzen gebeten, um den Portier zu schmieren, der ihn morgens einließ. Paloma oder Pamplona oder so ähnlich hieß die Angebetete, er hörte nicht richtig hin, für die Octavian sogar in den Tiber springen würde. Philipp gab ihm sein Silbergeld. Wer ein Papstgeschenk erwartete, brauchte sich um Kleingeld nicht zu sorgen.
    »Und was bekommst du für Vaters Bücher?«, fragte Octavian und schabte den kaum gesprossenen Bartflaum mit dem Rasiermesser von der Oberlippe.
    »Er braucht mir nichts zu bieten, wichtiger ist, dass der Papst danach in meiner Schuld steht.«
    »Autsch«, Octavian hatte sich geschnitten. »Wie sieht denn das jetzt aus, Mist.«
    Philipp war froh, dass sein Bruder die Bedeutung seiner Worte nicht begriffen hatte, vielleicht hätte er ihn besser gar nicht einweihen sollen. Aber irgendjemandem hatte er es erzählen müssen, sonst wäre er geplatzt. Und Octavian war sowieso einer von seinen Schuldnern, der würde schweigen, wenn er es nicht schon vergessen hatte.
    Als nach qualvoll langen Tagen noch immer keine Leibwache im Streifengewand mit aufgebauschter Mütze zu sehen war, grübelte Philipp, ob er nicht seinerseits eine Nachricht an den Heiligen Stuhl schicken sollte, dass er den Auftrag annahm. In seiner Kammer verfasste er Briefe, zerriss sie aber dann wieder. Was sollte er auch schreiben: ›Ja, ich mache es, Ihr wisst schon was. Euer untertänigster Graf Philipp Fugger.‹
    Oder: ›Auftrag angenommen, es grüßt in Erwartung Eurer

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