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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Aufmerksamkeit …‹
    Es durfte nichts Schriftliches geben, was man auf ihn zurückführen konnte, höchstens codiert. Das verlorene Geheimschriftenbuch fiel ihm wieder ein. Nun könnte es nützlich sein.
    Einzig der Fechtunterricht verschaffte ihm Ablenkung. Am Ende einer schweißtreibenden Stunde wartete Ruedi Aeppli in der Degenkammer und überreichte ihm ein mit Schnitzereien verziertes Pinienholzkästchen. Kaum war er allein, hob er mit zitternden Händen den Deckel. Eine Goldhaube lag darin, sein Herz galoppierte. Genau so eine hatte Vorfahr Jakob getragen. Der Erbauer der Augsburger Armensiedlung. Nach ihm war das Jakoberviertel benannt. Welche Stadt würde man nach Philipp benennen? Philippsburg oder Philippi wenigstens, wie die antike Stadt in Makedonien. Der spanische König hatte die eroberten Silberinseln Philippinen genannt. Vielleicht überschrieb er die sowieso den Fuggern, um seine Schulden zu tilgen. Als Octavian wieder bei seiner Angebeteten war, setzte Philipp die Haube auf und betrachtete sich. Wie Vorfahr Jakob, der von Albrecht Dürer gemalt worden war, stellte er sich vor den Rasierspiegel. Noch war die Haube zu weit, rutschte ihm über die Ohren. Aber wenn er sich ab sofort zum Essen und Trinken zwang, müsste sie bis zum Sommer passen. Sie sollten nach Augsburg zurück, eine seiner Schwestern heiratete.
     
    Mit der Haube in der Satteltasche brach er im Frühsommer zusammen mit Jeremias in Richtung Heimat auf. Octavian würde nachkommen, allerwichtigste Studien hielten ihn in Rom, sollte Philipp der Familie ausrichten. »Das Studium des weiblichen Körpers gehört auch zur Kavalierstour«, erklärte er. Derselben Meinung war Philipp auch. Endlich hatte er Gelegenheit, Adelaida wiederzusehen. Sein Zeytungsfreund und er trennten sich bei Venedig. Jeremias wollte in Augsburg eine Novitätenzentrale eröffnen und hoffte auf Philipps Unterstützung.
     
    Der Salon im ›Ca’ dei desideri‹ war noch voller geworden. Überall standen und hingen ausgestopfte Tiere herum, manche aus verschiedenen Körpern zusammengenäht. Über dem Diwan schien ein Zwölfender aus der Wand zu springen. Auf den Tischen lagen halb geöffnete Schachteln mit Kleidern und Schmuck. Ihr Mann war doch gestorben, wieso erhielt sie so viele Geschenke?
    Als Erstes trug er die unverändert Schöne ins Bad, wusch ihr all die fremden Gerüche fort. Die Jahreszahlen auf Porträts von ihr ließen Philipp vermuten, dass sie bald dreißig sein musste, aber über ihr Alter schwieg sie sich aus. Keine Falte verunstaltete sie. Die Starre hielt sie jung. Philipp war inzwischen zum Mann gereift, dunkler Haarflaum bedeckte seinen Körper von den Fingern bis zu den Zehen und er rasierte sich jeden Sonnabend. Auch der Wappenring passte endlich richtig am Mittelfinger. »Wem gehörst du, wenn ich fort bin?«, fragte er Adelaida.
    »Dem, der sich um mich kümmert«, antwortete sie. Wenn er sie fallen ließ oder in eine dunkle Kammer sperrte, hätte er sie als Letzter besessen. Aber dann würde sie welken und zu stinken anfangen. Nein, so lange er lebte, wollte er den Glanz in ihren Augen sehen, ihre Stimme hören und ihren warmen, willenlosen Leib unter sich spüren.

11. Die Oblata
    Von Stunde zu Stunde harrte Anna ihrer Bestrafung. Doch nichts geschah. Hatte es die Aufsichtsnonne nicht hinterbracht? Zugleich grübelte sie über Virginias Stumpfsinn, wie konnte sie sich nur mit all dem Schrecklichen abfinden?
    Bei der nächsten Hore erfuhr sie es. Virginia durfte hier der Klangwelt frönen, was zu Hause längst verboten war. Wenn auch ohne Instrument, allein mit der Stimme. Um lateinische Kirchenlieder zu singen, fügte sie sich.
    Konnte die Liebe zur Musik so groß sein, wichtiger als die Freiheit? Anna überlegte, ob sie sich für immer einsperren lassen, auf einen Geliebten und eigene Kinder verzichten würde, nur um malen oder schreiben zu können. Sie berührte ihre immer noch geschwollene Nase. Die Aussicht auf eine Heirat hatte sich angesichts ihrer Entstellung sowieso erledigt. Sie knurrte ihren Psalm, bis Ruth sie anstieß. Wer verlangte nur, dass sie das eine für das andere aufgaben? Warum konnte man nicht alles haben? Sie war eben durch und durch eine Fuggertochter, heute das Kaiserreich und morgen die Welt. Bei dem Gedanken entspannte sie sich etwas und fiel wieder in den gleichförmigen Tonfall ein. Malen erlaubten sie ihr hier sowieso nicht und selbst wenn, würde sie vermutlich wie zu Hause vor dem leeren Blatt sitzen und

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