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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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sein Söhnchen nicht mehr in die Hölle kam wie alle Lutheraner, sondern nur ins Fegefeuer. Nach Art des heiligen Michael vom Perlachturm, wie der mit seiner Stange den schwarzen Wurm zu seinen Füßen zermalmte, so hatten sie ihn untergetaucht.
    »Bonifaz, Bonifazle …« Die alte Langenmantel suchte ihr Schoßhündchen und besprühte Philipp durch ihre Zahnstumpen mit Spucke. Bonifazle unter dem Tischtuch rührte sich nicht mehr.
     
    In Begleitung von Severin schickte Georg Fugger seine Frau und die Kinder nach Hause. Philipp wollte zusammen mit Octavian in die Kutsche steigen, aber Vater hielt ihn zurück.
    »Das hat Folgen, Bürschchen. Dieser Schaukampf sollte den Religionsfrieden in Augsburg unterstreichen und du hast alles zunichte gemacht. Abgesehen davon, dass es mich einiges kosten wird, um die Stimmung nicht weiter anzuheizen, werden wir auch über dein Schicksal beraten.« Er gab dem Kutscher ein Zeichen loszufahren. »Ulrich und Christoph warten in der Trinkstube.«
    Trinkstube, Philipp unterdrückte ein Grinsen. Der Name sagte, wie das endete.
    »Sei froh, dass dich die Büttel nicht in den Kerker werfen«, schrie ihn Vater zornig an.
    »Mich? Einen Fugger in den Kerker?« Philipp lachte laut auf. Dafür erhielt er eine Maulschelle, dass er schwankte. Blut tropfte auf seinen weißen Kragen und das ohnehin verdreckte Atlaswams. Ihm wurde schlecht.
    »Sei dir da nicht so sicher. Auch wenn es in unserer Familie bisher nicht vorkam, schreckt der Rat nicht zurück, selbst einen Bürgermeister hinzurichten, wenn es nottut.«
    Philipp schniefte und tastete vorsichtig seine Nase ab. Mit Grausen dachte er an die Hinrichtung vor einigen Jahren, als ein Ratsherr wegen Siegelfälschung in siedendem Öl langsam zu Tode gebracht wurde.
    »Außerdem gehört zu einem Fugger mehr als nur das Nacheifern eines Gewandes. Nun wasch dich und dann komm nach.« Damit ließ er ihn stehen und eilte davon.
    Philipp zögerte. Er wartete, bis die Dunkelheit Vater verschluckt hatte, lauschte dem Klackern seiner Stiefel auf dem Pflaster. Als dies verklungen war, ging er zur nächsten Ecke und lehnte sich an einen Sims. Er hatte es so satt, ständig wurde er herumgeschubst wie ein Kleinkind, wenn es nicht Vater war, dann irgendein Schulmeister. Über sein Schicksal beraten, ja, das würde ihnen so passen. Im Gegensatz zu ihm hatte es Octavian gut, er durfte sich schlafen legen. Philipp erschrak. In der Gasse war jemand. Vater war doch in die andere Richtung gegangen, kam er über einen Umweg zurück und wollte ihn holen? Schon immer hasste Philipp die Dunkelheit. Früher, das war ewig her, hatte er sich nur an Annas Hand, obwohl sie die jüngere war, ins Gartenlabyrinth getraut. Am Tag waren die Pflanzen sein Liebstes, aber bei Nacht verwandelte sich jede Blumenzwiebel in ein Ungeheuer. Eine Gestalt, deren Umrisse größer und größer wurden, schlurfte auf ihn zu. Philipp spähte zum Tanzhaus. Vor dem Eingang, im Schein der Fackeln, kehrten ihm die Wachen den Rücken zu. Man munkelte von Ketzern, die sich in dunklen Kellern versammelten und den Ehrbaren auflauerten, um ihr Christenblut zu trinken. Jedenfalls hatte das die Köchin neulich erzählt. Warum fiel ihm das gerade jetzt ein. Würden die Wachen ihm zu Hilfe eilen, wenn er überfallen wurde, ihm, den sie laut Vater nur um ein Haar nicht in Ketten gelegt hatten? Er rang nach Atem. Dem Umriss nach war das ein Riese, der da auf ihn zukam. Philipp krümmte sich so klein es ging zusammen und drückte sein Kinn ins Kragenplissier. Eine unsichtbare Klaue schien seine Kehle zuzuschnüren, mit aller Kraft sog er Luft ein. Jemand klopfte ihm auf den Rücken und zog ihn hoch. Das Gesicht des bärenhaften Mannes lag im Schatten seiner Hutkrempe. Er nahm Philipps Hand, drehte sie nach oben ins Licht. Wollte der Riese aus seiner Hand lesen, so wie Anna erzählt hatte? Aber sie sprach von einem Weib und seine Lebenslinie, Philipp hatte das längst überprüft, war ein schön geschwungener Bogen von der Handwurzel bis zur Kante. Umständlich fuhrwerkte der Bärengleiche unter seinem Kittel. Suchte er ein Messer, um ihm die Lebenslinie zu durchtrennen oder gar die Kehle? Doch nur ein kleines Brett zog er hervor, legte es auf Philipps Handfläche wie auf einen Tisch. Außer ein paar Kratzer im Wachs konnte er im Halbdunkeln nichts darauf erkennen. Der Mann steckte sie zurück und ging weiter, ohne ein Wort. Als er außer Reichweite war, rannte Philipp so schnell er konnte zur

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