Im Labyrinth der Fugge
anderen bleibt sitzen.«
Mit einigen Mühen gelang es Anna das Äffchen einzufangen, bevor Octavian es erwischte und zerquetschte.
30. Der Lohn
Hatte seine verstorbene Frau beim Schöpfer ein gutes Wort für ihn eingelegt? Eines Tages stand tatsächlich der lispelnde Fuggerdiener wieder in der Werkstatt. Er stammelte von einem neuen Auftrag, brachte das Tier, das Kellenbenz präparieren sollte, gleich mit. Das Geweih eines Zwölfenders lugte aus einem Zuber. Wen wollten sie diesmal bekehren? Und wer würde die Teufelei ausführen? Kellenbenz konnte es gleich sein. »Bi« und »A«, presste er hervor. Der Fuggerdiener musste seine Tochter kennen.
Wirklich, er nickte. Kellenbenz runzelte die Brauen, wiederholte sein Gestammel, er bejahte noch mal. Verstand er ihn etwa, weil er selbst ein Sprechkrüppel war und das an Zunge zu viel hatte, was Kellenbenz fehlte?
Kellenbenz begann zu fuchteln, wollte Bianka mit Gesten beschreiben, ihre Größe, ihr Haar, die Tupfen auf der Haut … Der Diener unterbrach ihn: »Wenn Er liefert und fwar perfönlich bei meinem Herrn in der Kleefattlergaffe, dann foll Er feinen Lohn erhalten.« Er reichte ihm zwei venezianische Glasaugen.
Das Tier war wohl von Hunden zerfleischt worden. Kellenbenz hatte Mühe, den Hirschkopf sorgfältig zu präparieren. Die Gesichtshaut hing in Fetzen und ein Auge war ausgelaufen. Tierhatzen waren eine der vielen Lustbarkeiten, mit denen sich die Reichen die Tage versüßten. Er kochte den Balg aus, spaltete die Lippen, Augenlider und Nasenknorpel. Er zog die Ohren ab, stülpte sie von innen nach außen und legte alles in Salz ein. Nachdem er den Pelz zugerichtet hatte, nähte er die Teile wieder auf dem Schädel um das Geweih zusammen, bis ihm im Licht der Tranfunzel die Augen brannten. So verwischte er die Spuren des Todeskampfes mit jedem Stich und ließ ein makelloses Geschöpf entstehen. Mühe hatte er nur, die Glasaugen in den Kopf zu setzen. Biankas geschickte, kleine Hände fehlten. Immer wieder entglitten ihm die Kugeln. Er suchte nach dem Dolch, den er in einem Wutanfall in eine Ecke geworfen hatte. Zwischen Margits zerbrochenen Arzneifläschchen fand er ihn. Mit der Klinge spreizte er die Sehschlitze des Hirschkopfes so, dass die Augen endlich hineinrollten. Danach polierte er den aufwändig verzierten Dolchgriff, befreite ihn vom schwarzfleckigen Blut und schärfte die Klinge, bereit für ›feinen‹ Lohn, wie der Diener gelispelt hatte, den er sich bei dem Fugger holen würde.
31. Der Liebeszauber
Vor der Kammertür im dritten Stock saß Virginia und aß die Krapfen, die eigentlich für die gemeinsame Feier bestimmt waren. »Das neue Küchenmädchen taugt was, durchaus. Wenn ich schon nicht in meine eigene Kammer darf, koste ich eben vor.«
»Wo ist Sidonia?«, fragte Anna und setzte Donna ab. Das Äffchen sprang zu Virginia auf den Schoß, nahm ihr das Krapfenstück aus der Hand und knabberte daran.
Virginia zuckte mit den Schultern. »Die Xocolatl ist schon kalt. Aber ich glaube, ich höre sie.«
Sidonia stürmte die Stufen hinauf, zwei auf einmal nehmend, was gar nicht zu ihrem vornehmen Äußeren passte. Sie trug einen Stoffsack und keuchte, als sie oben ankam.
»Wo warst du?«, fragte Anna, nahm das Tablett mit dem Xocolatl-Kännchen, Honig und den Krapfenresten vom Boden auf.
»Kommt erst mal rein«, erwiderte Sidonia, zog den Schlüssel aus ihrem Ausschnitt hervor und sperrte die Kammer auf.
»Wie großzügig, danke, zu gütig von dir!« Virginia erhob sich stöhnend. Donna war bereits in die Kammer gehopst.
»Wenn Mutter uns ins Kloster stecken will, müssen wir es eben verhindern«, sagte Sidonia, drehte den Kammerschlüssel zweimal von innen und ließ ihn wieder hinter ihrer Brustplatte verschwinden.
»Und wie willst du das anstellen?« Anna warf sich auf Sidonias Bett. »Meinst du, wir können was dagegen machen, wenn sie uns fesseln und gewaltsam fortbringen lässt?«
»Wir müssen dafür sorgen, dass wir verheiratet sind, bevor wir Nonnen werden können. Alle Zutaten habe ich hier.« Sidonia schüttelte das Säckchen. Das Geräusch löste bei Anna eine Erinnerung aus, die sie gleich verdrängte. Donna kam neugierig näher.
»Zutaten? Kann man sich einen Mann auch backen, oder was?« Virginia pfiff durch die Zähne. »Dann will ich aber einen mit kandierten Mandeln.«
»Kannst du haben.« Sidonia entnahm dem Säckchen eine Handvoll Roggen. Anna spürte sofort wieder den Druck des Kornes, das sich beim Kratzen
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