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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Dolch. Zeigt her.« Der Patrizier entwand dem Geistlichen die Stichwaffe und drehte sie in den Händen.
    »Ich kann sie nicht leiden, diese huschigen, selbstherrlichen Biester«, knurrte der Pater. Seine Stimme hatte den singenden Klang verloren. »Sie nehmen sich, was sie wollen, und faulenzen den ganzen Tag.«
    »Habt Ihr das edle Stück von einem Augsburger Silberschmied oder ist es ein sarazenischer Dolch?«, fragte der Reiche. »Wart Ihr auf einem Kreuzzug, Pater?«
    »Das bin ich immer noch, Graf. Gegen den Satan kann man das Kreuz nicht hoch genug halten. Und schmückt sich der nicht mit einer schwarzen Katze …«
    »Eine ausgezeichnete Schmiedearbeit, so fühlt es sich an. Beruhigt Euch und seid froh, um die Schätze, die wir den Ungläubigen entreißen können.«
    Der Geistliche schüttelte sich angeekelt, nahm dem Graf den Dolch ab und ließ ihn wieder unter seinem Umhang verschwinden. »Lasst uns gehen!«
    Kellenbenz zuckte zusammen. Der Diener, von dem er den Auftrag erhalten hatte, löste sich aus dem Schatten der Bäume. Er beachtete Kellenbenz nicht, rollte das Fell mit behandschuhten Händen zusammen, wickelte es samt gehörntem Kopf in eine Decke und trug es voran, den Hügel hinunter.
    Kellenbenz setzte sich auf den Baumstamm, wartete bis auch die Herren in der Dunkelheit verschwunden waren. Dann eilte er zu den Hagebutten. Anfangs dachte er, Bianka hätte sich aus Angst nur tiefer zwischen den Büschen versteckt. Er bückte sich, tastete sich vorwärts, irgendwo musste die Mulde sein, wo er sie zurückgelassen hatte. Es war diese Kiefer gewesen oder die andere? Sie war noch nie einfach so fortgelaufen. Er scharrte zwischen den Wurzeln, hatte ihr doch eingeschärft, sich nicht zu rühren. Das Zeichen, Finger am Mund, kannte sie. Wenn Kundschaft kam, musste sie sich still verhalten. Sie hielt dann im Spielen inne wie eine kleine rothaarige Puppe.
    Sein Kittel verfing sich in den Dornen. Er zerrte daran bis der Stoff zerriss. »I-a-ka! I-a-ka«, brüllte er. Das K von Bianka konnte sich Kellenbenz noch mit dem Zungenstummel abpressen. Er versuchte Tierlaute nachzumachen. Doch auch ihr Lieblingsspiel lockte sie nirgends hervor. Bald brannte seine Kehle. Schließlich wimmerte er nur mehr, kroch kreuz und quer unter den Büschen durch, bis seine Hände und sein Gesicht zerkratzt waren. Ein Ast knackte. Er verharrte. Raschelte da nicht etwas? Er lauschte angestrengt in die Finsternis. Nichts.
    Bianka war verschwunden.
    Noch viele Male wandte er sich um, als er den Pesthügel zögernd hinunterstieg. Hockte sie da hinter einem Stein? Er lief zurück. Es war nur eine Katze, die ihn anfauchte und dann wegsprang.
    Auf dem Rückweg klopfte er an der Pforte des Blatternhauses, zeigte mit Fingern das Alter des Kindes und die Größe. Die Nonne schüttelte den Kopf, kam mit einem Stück Brot zurück. Er wies es ab, deutete auf seinen Mund, versuchte zu miauen. Sie brachte ihm eine Suppe und schickte ihn fort.
    Nach Mitternacht trat er durchs Barfüßertor zurück in die Innenstadt. Vielleicht war Bianka allein nach Hause gelaufen, schlief längst mit offenem Mund, ganz erschöpft auf der Ofenbank, verbarg sich im Ziegenstall oder wartete zwischen den Häuten auf dem Speicher wie so oft beim Versteckspiel.
     
    Doch je mehr Kellenbenz sich seinem Haus am Vorderen Lech näherte, desto schwerer wurden ihm die Beine. Er hatte sich in der Finsternis an brennenden Laternen in Hauseingängen und Fensternischen orientiert, bis er zu seinem Viertel gelangte, wo er auch im Dunkeln jeden Stein und jedes Schlupfloch kannte. Auch wenn reiche Patrizier sich mit Pelzen schmückten und man seine Zunft achtete, hatte man ihn mit seinem Kürschnergewerbe zu den Gerbern, Seifensiedern und Färbern ins Lechviertel abgedrängt. Wie zur Begrüßung drehte sich das Wasserrad kurz. Ein paar Ratten schnellten von einer Schaufel, ließen einen Schwall Wasser in den Lech platschen. Dann sprangen sie vom Kanal über die Gasse und jagten einander. Am liebsten hätte er ihnen das neuerworbene Geldsäckchen hinterhergeworfen.
    Er wollte Bianka zurück!
    Sie war nicht im Speicher, versteckte sich nicht zwischen den aufgespannten Marder-, Zobel- und Hermelinfellen. Er leuchtete mit einer Laterne den Stall aus, tätschelte der Ziege Liesl den Hals, die im Kauen innehielt. Jeden Heuhalm wendete er, scheuchte Liesl auf, schubste sie von einem Eck in das nächste, so als würde sie Bianka hinter ihrem Kugelbauch verbergen. Er stöberte in seiner

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