Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
Vom Netzwerk:
getroffen, als er stolperte. Den himmlischen Heerscharen sei Dank. Ihn würde es nicht erstaunen, wenn das Brandloch im Teppich als Reliquie verehrt wurde.
    Zur Hinrichtung dieses Kürschners hatte er sich mit der Sänfte tragen lassen. Was für ein Auftritt! Er sah sich selbst noch mal in Gedanken der Menge zujubeln und dem Bürgermeister das Vollzugszeichen zu geben. Dem Bürgermeister hatte er befohlen! Wenn ihn sein Vater so sehen könnte. Doch Canisius wusste nicht einmal, ob sein Vater noch lebte, seit er seine Geburtsstadt über Nacht verlassen und seinen Namen von Peter de Hondt, was wie Hund klang, in Canisius geändert hatte. Hinweg mit diesen schlechten Erinnerungen, er hatte sie tief in sich eingesperrt, nicht mal im Gebet holte er sie hervor. Niemand wusste davon, und keinem würde er es jemals anvertrauen, eher würde er sich auch die Zunge kürzen lassen, womit er wieder beim Kürschner war, der im Fegefeuer schmorte. Die hochnotpeinliche Befragung hatte nichts gebracht. Der Zungenlose konnte seine Hintermänner, die der Rat und der katholische Klerus vermuteten, nicht preisgeben, auch wenn er mit jeder Faser seines geschundenen Leibes ein I und ein A herauspresste. Die einzige Person, die sie aus seinem Umfeld auftreiben konnten, war seine Nachbarin. Die plapperte schon los, als man ihr die Daumenschrauben nur vorführte, behauptete Kellenbenz hätte sie bedroht und seine eigene Tochter in Säure aufgelöst. Canisius bezweifelte, dass der einfältige Mann einen Mord geplant hatte. Vermutlich hatte er sich im Vollrausch nicht nach Hause getraut und die Nacht im Bauch der Kirche verbracht. Als er erwachte, war ihm das Säurefläschchen herabgefallen. Doch Canisius behielt seine Gedanken für sich. Allein, dass ein Unehrenhafter die Kanzel beschmutzte, war schon Sünde genug und musste bestraft werden. Auch wenn die Gabe nun auf ewig verloren war, einen Meisterkürschner wie diesen gab es in Augsburg kein zweites Mal und seine Verschwiegenheit war ihnen allen von großem Nutzen gewesen. So war es eben, der eine stieg hinab und der andere, seine Wenigkeit, betrat die Himmelspforte auf dem Weg in die Heiligkeit. Zufrieden verlagerte er sein Bein. Ach, wie sich alles immer fügte.
    Endlich kam Feddo, bestrich den Knöchel mit Eiweiß und wickelte nasse, kühlende Leintücher darum. Canisius seufzte wohlig.
    Es klopfte. Sofort straffte er sich, setzte für den Besuch sein schmerzverzerrtes Gesicht auf. »Tretet näher, und verzeiht, dass ich unpässlich bin, Euch entgegenzukommen«, säuselte Canisius und deutete auf seinen linken Fuß auf der Chaiselongue. »Was kann ich für Euch tun?« Er beorderte Feddo, einen Sessel für den Fugger herbeizutragen. Der Graf setzte sich bedächtig und Canisius prägte sich jede seiner Gesten ein. Er war gealtert, hatte sich bis auf wenige graue Stoppeln den Bart gestutzt. Ein breites, dunkelgrünes Samtbarett bedeckte seine Ohren. Kein Haar stand darunter hervor. War er kahlköpfig? Vielleicht lag es an den Kleiderschichten oder an einem Geschwür am Hintern, dass er das Gesicht verkniff, als er sich setzte? Trotz allem benahm er sich wie ein Gebieter, ja der Pontifex war nicht besser darin. Wenn Canisius wieder allein war, würde er diese Gebärden vor dem Spiegel üben. Langsam durchschaute er die Fugger. Nicht nur das herrschaftliche Getue hob sie von anderen ab. Sie ließen auch einen untreuen Dienstboten nicht einfach enthaupten oder vierteilen, wie manch einfältiger Ratsherr es mit seinem Gesinde machte, sondern reichten ihn innerhalb der Familie weiter. So blieben die Gefallenen hörig, plauderten keine Geheimnisse aus oder erpressten ihren Herrn. Aber Feddo mit seiner ewig guten Laune, ließ sich nicht einfach überreden. Vielleicht hatte er zu viel an diesen Wasserpfeifen gesogen, die im Frauenhaus die neueste Errungenschaft waren. Bei einer letzten Ölung, zu nichts anderem selbstverständlich war er dorthin gerufen worden, entdeckte er dort seinen Zögling. Kaum wiederzuerkennen, vom sich selbst peitschenden Büßer zum bunt bestrumpften Geck, wenn Canisius davon absah, dass er seinen Novizen für tot und längst vom Lochbach fortgetrieben gehalten hatte. Ein ganzes Stück Arbeit war es gewesen, ihn zu überzeugen, wieder in seine Dienste zu treten. Bei Männern wirkten seine Exerzitien einfach nicht so durchschlagend wie beim Weibervolk. Doch am Tag von Kellenbenz’ Hinrichtung kniete er vor seiner Tür und bat:
    »Ich bin ein altes Affen-Aas,
    Ein rechter

Weitere Kostenlose Bücher