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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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finden, aber gewiss war es in der Nacht eisig kalt.
    »Dort lebst du?«, fragte Cornelius entsetzt. »Immer schon? Bist du dort aufgewachsen?«
    Wie blind musste er gewesen sein, dass er nie die Menschen sah, die in den zerfallenen Häusern lebten – unwürdig, ärmlich, ausgebeutet.
    »Nein. Ich aus Nacimiento.«
    Cornelius hat keine Ahnung, wo das war; wahrscheinlich lag es in dem Gebiet, das man Araukanien oder Araukarierland nannte. Unscharf erinnerte er sich daran, wie der Aufseher einmal ausgespuckt hatte. »Von dort kommt nur Pack, und nur Pack geht dorthin. Halte dich fern von ihnen.«
    »Wie alt bist du, Quidel?«
    Wieder zuckte der andere mit den Schultern, entweder weil er es nicht wusste oder weil er keine Zahlen kannte.
    »Hast du Hunger?«, fragte Cornelius. »Du siehst schrecklich mager aus. Ich … ich kann dir etwas Brot kaufen.«
    Die dunklen Augen, eben noch hart und leer, begannen zu glänzen. Quidel sagte nichts, aber Cornelius war, als würde er lächeln, sehr vorsichtig nur, nicht sicher, ob es sich lohnte, auf den Fremden zu setzen – und dennoch dankbar, dass dieser ihn vor dem Zugriff der Männer gerettet hatte.
    Zacharias hatte ihm in den letzten Wochen niemals Dankbarkeit gezeigt, obwohl er sich für ihn förmlich aufrieb. Cornelius erwiderte das Lächeln, fühlte, wie sämtlicher Hass, sämtliche Wut von ihm abfielen und ihm warm ums Herz wurde.
    »Na, dann komm mit.«

15. KAPITEL
    SECHS MONATE SPÄTER
    E lisa sah Annelie über die Schultern: »Bist du fertig?«
    Unwillkürlich hatte sie ihre Stimme gesenkt, obwohl alle, die sie hören konnten, ohnehin von dem heimtückischen Plan wussten.
    »Ja«, erwiderte Annelie ebenso leise und wandte sich dann an Jule. »Ich brauche jetzt dein Mittel.«
    Jule reichte es ihr mit einem Ausdruck von Spott und Ungeduld.
    »Und es wirkt tatsächlich?«, fragte Christine, die Katherl den Umhang zuband. Das Kind rieb sich müde die Augen, eigentlich war längst Schlafenszeit.
    Jule kicherte. »Der Arme wird eine unruhige Nacht vor sich haben.«
    »Wenn er es denn überhaupt annimmt«, meinte Christine skeptisch. Sie teilte die Ansicht aller, dass nun, nach einem weiteren halben Jahr bei Konrad Weber, endgültig die Zeit ihrer Flucht gekommen war, aber von ihnen allen war sie es, die am lautesten ihre Zweifel daran bekundete.
    »Keine Sorge«, meinte Annelie. »Ich habe in den letzten Monaten alles darangesetzt, um das Vertrauen der beiden Weber-Söhne zu gewinnen. Moritz wird sich bedanken und gierig die Suppe aufessen.«
    Annelie hatte es in der Tat sehr geschickt angestellt. Zunächst hatte sie sich nicht bei den Webers, sondern bei Lambert eingeschmeichelt, der von ihr zwar eine nicht minder schlechte Meinung hatte wie von jeder Frau, aber verwundert feststellte, dass sie erstaunlich gut kochen konnte.
    »Nun ja«, hatte er schließlich, halb griesgrämig, halb genießerisch, festgestellt, »das gehört eben zu den wenigen Dingen, die ihr Weiber besser könnt als unsereins.«
    Hungrig hatte er sich über den Lammbraten hergemacht, den zu braten sie ihm angeboten hatte, und schließlich hatten sich ihre Künste bis zu Konrad herumgesprochen. Er hatte Annelie rufen lassen, und noch ehe er ihr befehlen konnte, fortan seine Mahlzeiten zuzubereiten, war sie vermeintlich zitternd und ängstlich vor ihm auf die Knie gegangen und hatte ausgerufen, dass sie gerne für ihn kochen würde, wenn er denn nur ihren armen, kranken Mann von der Arbeit befreite.
    Konrad hatte seine Stirn in Falten gelegt. Offenbar war ihm erst in diesem Augenblick aufgegangen, dass Richard von Graberg ohnehin nicht arbeitete – ob er es ihn nun erlaubte oder nicht –, da sein trübsinniges Gemüt den Körper ähnlich lähmte und unbrauchbar machte wie Jakob Steiner dessen steife Beine.
    Seitdem ging Annelie bei den Webers ein und aus. Sie war es auch, die herausgefunden hatte, dass Konrad mit seinem älteren Sohn zum Hafen von Corral aufgebrochen war, während der jüngere Moritz über die Baracken nahe der Hazienda wachte.
    »Los jetzt«, befahl Jule, nachdem Annelie das gebrannte Magnesium, das sie einst aus den Schränken des Schiffsarztes hatte mitgehen lassen, in die Suppe gerührt hatte. Annelie nahm den Topf und entschwand eilig in die dunkle Nacht. Elisa entging nicht, dass Richard den Kopf hob. In den letzten Wochen war die Starre sichtlich von ihm abgefallen. Er aß wieder mit Appetit, redete manches Wort mit ihnen und war sogar einige Male nach draußen gegangen.

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