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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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von eigenen Sorgen.
    Trotz seiner scharfen Worte rückten die Männer nicht ab. Grölend schrien sie weitere Beleidigungen, lachten, stießen den Mapuche immer erbarmungsloser herum. Er stolperte erneut, fiel jedoch nicht hin.
    »Also, Trauco! Sag uns, was den Weibern gefällt!«
    Cornelius sprang in ihre Mitte und stellte sich schützend vor den Mapuche, noch ehe er wusste, was er tat. Branntweingeruch schlug ihm entgegen, doch dass die Männer betrunken waren, folglich viel schneller zur Gewalt bereit, schüchterte ihn nicht ein. Der Gestank ließ ihn vielmehr an den Onkel denken, und er ballte seine Hände zu Fäusten.
    »Sechs gegen einen, wie mutig!«, rief er erbost.
    Er stieß den ersten zurück, noch ehe ihm bewusst wurde, dass diese sechs auch für ihn eine bedrohliche Übermacht waren, und trat mit dem Fuß nach zwei weiteren. Er traf sie nicht, dennoch wichen sie zurück – vielleicht, weil sie in seinem Gesicht etwas lasen, was ihnen unheimlich war: blanker Hass.
    »He, he!« Beschwichtigend hob einer die Hände. »Wir wollten ihm doch nichts tun! Nur ein wenig unseren Spaß mit ihm haben!«
    »Den hattet ihr!«, schrie Cornelius. »Und jetzt haut ab!«
    Kopfschüttelnd wichen die Männer vor seinen Fäusten zurück. Zwei machten sich schon auf den Rückzug, drei schienen geneigt, ihnen zu folgen, nur einer blieb noch trotzig vor Cornelius stehen.
    »Was setzt du dich für eine Rothaut ein?«
    »Geht’s dich was an?«, gab er zurück, packte ihn an den Schultern und rüttelte ihn. Unwirsch entzog sich der andere seinem Griff, aber setzte der Attacke ansonsten nichts entgegen. Möglicherweise nicht nur wegen des gefährlichen Glimmens in seinen Augen, sondern weil seine Statur sich in den letzten Monaten geändert hatte. Wenig hatte er noch mit dem schmalen, gelehrten Jüngling gemein, über den sich Matthias einst lustig gemacht hatte. Er hatte sowohl an den Schultern als auch an den Oberarmen Muskeln zugelegt.
    »Haut ab!«, brüllte er wieder.
    Sein Gegner schüttelte den Kopf. »Was für ein Aufruhr … nur wegen einer Rothaut …«
    Dann zerstreuten sie sich. Nur der Mapuche war regungslos stehen geblieben. Erst jetzt fiel Cornelius dessen sonderliche Kleidung auf. Sie glänzte im untergehenden Sonnenlicht speckig – und irgendwie bläulich.
    Nicht nur Mapuche wurden sie genannt, so fiel ihm jetzt wieder ein, sondern auch Araukaner – nach jenem Gebiet, Araukanien, das sie schon besiedelt hatten, ehe die ersten Spanier kamen. Ob sie sich auch selbst so bezeichneten, wusste er nicht. Vor der Reise nach Chile hatte Cornelius die Schriften eines Franziskaners gelesen, der die dortigen Ureinwohner missionieren wollte, und wenn der Onkel ängstlich von den Wilden sprach, die gewiss auf seinen Skalp aus wären und obendrein darauf, ihn bei lebendigem Leib zu rösten, so wusste er ihm entgegenzuhalten, dass sie ein friedliebendes Volk seien.
    »Erschlagen werden sie uns!«, hatte der Onkel geklagt.
    »Ach was! Sie müssen uns viel mehr fürchten als wir sie. Viele arbeiten für die Spanier, und diese halten sie kaum besser als Sklaven.«
    »Ob sie wohl Federn auf den Köpfen tragen wie die Rothäute in Amerika?«, hatte Zacharias immerhin neugierig gefragt, und Cornelius daraufhin erklärt: »Sie jagen Robben und Seelöwen – daraus machen sie ihre Kleidung …«
    Das fiel Cornelius jetzt wieder ein, als er die sonderliche Tracht des Mannes musterte. »Wie heißt du?«, fragte er.
    Keine Antwort. Immerhin hob der Mann das Gesicht. Seine Augen waren abgründig schwarz.
    »Verstehst du mich? Kannst du meine Sprache sprechen? Wie heißt du?«
    Der andere öffnete seinen Mund und sagte etwas. Cornelius war sich nicht sicher, ob er die Silben richtig verstanden hatte.
    »Quidel«, sprach er sie nach. »Ist das dein Name? Quidel?«
    »Ja«, der Mann nickte, »ja, das mein Name.«
    Er beherrschte nur gebrochenes Deutsch, aber immerhin reichte es, um sich verständlich zu machen.
    »Komm«, sagte Cornelius, »ich begleite dich nach Hause.«
    »Kein Zuhause.«
    »Aber irgendwo musst du doch leben!«
    Quidel zuckte mit den Schultern und deutete schließlich in eine bestimmte Richtung. Cornelius erblickte einige der zerfallenen Häuser, die von der Wucht des Erdbebens kündeten. Nur hüfthoch standen ihre Mauern, über die man – offenbar als eine Art Dach – Lederhäute gespannt hatte. Unmöglich konnte man in diesen Gebilden stehen, ja, nicht einmal hocken, bestenfalls schlafen und Schutz vor Regen zu

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