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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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mehr Luft zum Atmen fand und ein Geräusch plötzlich in die Stille drang: markerschütterndes Geschrei – höhnisch aus den einen Mündern, verzweifelt flehend aus einem anderen.

    Sie hatten den Mann eingekreist, traten immer näher auf ihn zu. Zuerst presste sich ihr Opfer an eine Hauswand, dann versuchte es, geduckt zu entwischen. Nur vermeintlich gewährte man ihm die Flucht; schon nach wenigen Schritten griffen zwei der Angreifer gleichzeitig nach ihm: Der eine packte den jungen Mann am Arm, der andere am Kragen. Gemeinsam schleiften sie ihn zurück – unter grölenden Rufen und höhnischem Gelächter.
    Nun ergab sich der Arme der Übermacht und wehrte sich nicht mehr gegen die sechs jungen Männer – Deutsche allesamt, wie Cornelius an den Worten erkannte, die sie sich zuriefen.
    »Was ist hier los?«
    Seine Stimme klang gepresst von der anstrengenden Arbeit, vor allem aber vor Zorn.
    Nur spielerisch hatten sie zunächst auf den Mann eingeschlagen, ihn nur zum Stolpern, nicht zum Fallen gebracht, doch mit der Zeit wurden die Faustschläge unbarmherziger, die eben noch lachenden Gesichter verzerrter. Niemand achtete auf Cornelius.
    »Nun zeig uns doch, was du kannst, Rothaut!«
    »Willst du uns gar nicht in die Augen sehen?«
    »Meiner Schwester hast du doch eben auch begehrlich nachgestarrt!«
    Erstmals ließ sich auch die dünne Stimme des Opfers vernehmen. Cornelius war nicht sicher, ob er ihn richtig verstand. »Habe nicht …«
    Er kam nicht weit. Ein Faustschlag traf ihn im Magen. »Hast dir wohl überlegt, wie weit du bei unseren Frauen kommen kannst, oder? Aber lass es dir gesagt sein: ’s sind anständige Frauen!«
    »Bild du dir ja nicht ein, dass deine Zauberkräfte reichen, sie zu verführen.«
    »Lass die Finger von meiner Schwester oder …«
    Wieder vermeinte Cornelius, etwas aus dem Mund des Gequälten zu hören, doch es waren keine Worte, nur ein unterdrückter Seufzer.
    »Was ist hier los?«, fragte er wieder, diesmal schneidig genug, dass die Männer zu ihm herumfuhren.
    Sie waren nicht alt, das erkannte er jetzt, zählten siebzehn, vielleicht achtzehn Jahre. Nur wenige Bartstoppel bedeckten ihre Gesichter, die vor Belustigung und Aufregung gerötet waren. Kein echter Hass auf ihr Opfer spiegelte sich darin, eher Langeweile und Lust auf Abwechslung, doch die Folgen, die der Arme zu tragen hatte, waren dieselben.
    Wieder traf ihn ein Faustschlag.
    »Was hat er euch denn getan?«, rief Cornelius empört.
    Nachdem sie ihn abwechselnd herumgeschubst haben, wich zumindest einer der Angreifer aus dem Kreis zurück. »Wir wollten doch nur wissen, wie viel Trauco in ihm steckt!«
    »Trauco?«, fragte Cornelius verständnislos.
    Einer der Männer kicherte los; der dunkle, kleine hingegen senkte verlegen den Blick. Cornelius sah, dass seine Wangen flammend rot wurden – vielleicht vor Scham, vielleicht vor ohnmächtiger Wut.
    »Der Trauco ist ein Unhold, der in den Wäldern von Chiloé wohnt – gemeinsam mit Hexen und Zauberern.« Wieder kicherte der Mann.
    »Weißt du das denn nicht?«, kiekste ein anderer. »In der Nähe des Traucos werden die Frauen läufig wie die Hündinnen. Winselnd legen sie sich vor ihn, spreizen die Beine und lassen sich von ihm begatten. Dass er klein und hässlich ist, stört sie nicht. Und es ist ja auch nicht alles an ihm klein … wenn du verstehst, was ich meine.«
    Er machte eine obszöne Geste, die Cornelius nicht genauer ergründen wollte. Wieder blickte er auf den Mann, der weiterhin geduckt dastand, in dessen Miene sich jedoch keinerlei Gefühle spiegelten. Kränkung, Zorn und Ohnmacht mochten in ihm hochgestiegen sein, doch anstatt ihnen nachzugeben, ließ er nun den Spott der Männer über sich ergehen, als hätte der nichts mit ihm zu tun.
    »Lasst ihn los!«, zischte Cornelius.
    Vielleicht irrte er sich, aber das Opfer kam ihm bekannt vor. Hatte er ihn etwa bei der Arbeit getroffen? Die meisten seiner Kollegen waren Deutsche und spanischstämmige Chilenen. Aber er hatte auch Gerüchte über die Mapuche gehört – Ureinwohner Chiles, die von den meisten nur abfällig Rothaut oder Indianer genannt wurden. Ihre Körper waren zwar kleiner und gedrungener, aber zäher und ausdauernder. Cornelius konnte sich nicht daran erinnern, auch nur einen Klagelaut von ihnen gehört zu haben – vielleicht ein Grund, warum er sie bis jetzt missachtet und mit keinem von ihnen je geredet hatte. Zu drückend schienen ihm die eigenen Lasten, zu ausgefüllt war er

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