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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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dich nicht erinnern … damals, bei uns zu Hause …«
    Eigentlich konnte sie sich selbst an so gut wie gar nichts mehr erinnern, wenn sie an die württembergische Heimat dachte. Sie wusste allerdings, dass die unverheirateten Mädchen an Festtagen rote Kleider oder Schürzen getragen hatten – um jedermann zu zeigen, dass sie noch zu haben waren. So ein rotes Kleid wollte sie auch!
    »Elisa heiratet, nicht du«, erklärte Poldi schlicht und ließ sie abrupt stehen.
    Genau das hatte ihre Mutter ihr auch vorgehalten. Es war Elisas Ehrentag, also gebührte ihr das beste Kleidungsstück und die meiste Aufmerksamkeit.
    Christl seufzte. Warum verstand nur niemand, dass sie eines Tages auch heiraten wollte? Und wie konnte sie die Aufmerksamkeit eines Mannes gewinnen – eines ganz bestimmten Mannes im Übrigen –, wenn sie in diesen hässlichen Fetzen durchs Leben ging?
    Der einzige Trost war, dass es neben dem Kleid nicht viel gab, worum sie Elisa beneiden konnte. Das Heiraten war hier nämlich eine ziemlich traurige Angelegenheit.
    In ihrer Heimat war am Hochzeitstag ein großer Leiterwagen durchs Dorf gefahren, der mit sämtlichem Heiratsgut beladen wurde. Dieser Hochzeitswagen wurde von Musikanten begleitet, erreichte schließlich das Haus der Braut, wo sie darauf Platz nahm, um von ihrem Vater bis zur Grundgrenze geführt und dort vom Bräutigam in Empfang genommen zu werden.
    Hier in Chile gab es einen solchen Wagen nicht. Elisa hatte nicht einmal eine Truhe bekommen, um dort all ihre Aussteuer zu sammeln – weil sie schlichtweg nichts besaß. Worauf Christls Mutter allerdings beharrt hatte, war, dass die Braut mit Myrten gekrönt werden sollte wie einst sie selbst.
    »Ob’s hier die gleichen Myrten gibt?«, hatte Annelie zweifelnd eingeworfen.
    Christl grinste, als sie daran dachte. Nun, dorniges Gestrüpp und lasche Blütenblätter konnte sie Elisa ohne Überwindung gönnen. Allerdings, und bei diesem Gedanken schwand Christls Grinsen wieder, hatte die Mutter auch auf Einhaltung eines zweiten Brauchs gepocht: Es sollte ein Polterabend gefeiert werden, wie er in der Heimat üblich gewesen war.
    Und auf diesem Polterabend hätte Christl so gerne ein schönes Kleid getragen!
    »Was soll’s!«, stieß sie trotzig aus. Es gab niemanden mehr, dem sie mit Heulen, Maulen und Schimpfen in den Ohren liegen konnte, und so stapfte sie schließlich vom Haus der Steiners fort, um sich zumindest einen Begleiter für dieses Fest zu verschaffen.
    Als sie an ihrem Ziel ankam, blickte sie prüfend auf ihre Hände, die sie so lange gebürstet hatte, bis sie sauber waren. Und sie hatte sich heute Morgen ihre Haare sorgfältig gekämmt und geflochten! Ihre Haare waren dünner und glanzloser als die von Elisa, aber immerhin nicht ganz so störrisch.
    Ihr Herz hämmerte laut vor Aufregung, als sie näher trat. Das Haus der Mielhahn-Kinder lag still und irgendwie schäbig vor ihr. Die anderen Frauen schmückten ihr Heim mit dem Wenigen, das sie hatten. Annelie, Christine und Barbara nähten Vorhänge und Tischdecken, pflückten Blumen und woben Teppiche. Doch als sie nun durch die Fensterläden ins Innere lugte, war nichts dergleichen zu sehen.
    Nun, wenn sie erst Viktors Frau wäre, dann würde sie das Haus gemütlich einrichten, und bei ihrer Hochzeit würde sie ein noch schöneres Kleid bekommen als Elisa, das war die Mutter ihr schuldig!
    Sie trat vom Fenster weg und klopfte an der Tür. Der Laut verhallte, doch es kam keine Antwort.
    Christl runzelte die Stirn. Sie hatte Viktor vorhin heimgehen sehen, er musste hier sein!
    Wieder klopfte sie, schließlich so laut und energisch, dass die notdürftig zusammengezimmerten Bretter bedrohlich knarrten. Noch ein heftiger Schlag und sie würden womöglich brechen! Unbehaglich trat Christl zurück, und in diesem Augenblick ertönten endlich schlurfende Schritte.
    Christl setzte ein Lächeln auf. Ewigkeiten schien es zu dauern, bis die Tür endlich geöffnet wurde – nicht weiter als einen schmalen Spalt, durch den sie nur Viktors Nase erkennen konnte.
    »Grüß dich, Viktor!«, rief Christl dessen ungeachtet herzlich.
    »Was willst du?«, fragte er barsch.
    Das Lächeln schwand von Christls Lippen. Viktor war ohne Zweifel spröde und unnahbar – und gerade das hatte ihn bis jetzt so interessant für sie gemacht: Stets galt es einen Kampf zu führen, um ihm etwas abzuringen, so auch den gemeinsamen Tanz damals auf dem Fest. Danach war sie ihm oft aufs Feld gefolgt, hatte ihm

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