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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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unter ihren Fingernägeln hatte sich Erde angesammelt. Die Ränder ihres Rockes waren mit Schlamm vollgesogen, und in ihren geflochtenen Haarsträhnen, die sich wie immer im Laufe eines langen Arbeitstages aufzulösen begannen, hatten sich viele Krümelchen und Ästchen verfangen. »Es ist schlimm, dass wir immer wieder neue graben müssen«, fuhr sie fort, »aber dieser Schlamm, der die Felder …«
    »Das meine ich nicht«, unterbrach Annelie sie. Kurz drehte sie sich um, aber von Richard war nichts zu hören. Er hatte sich schon vor einer Weile in den hinteren Teil der Stube zurückgezogen und schlief tief und geräuschlos. Auch Jule, die bei den von Grabergs lebte, war nicht zugegen. Trotz der späten Abendstunden strich sie im Freien umher, um die Einsamkeit zu suchen und um die Gedanken an ihre Schule weiterzuspinnen, vielleicht sogar, um ein passendes Fleckchen zu erkiesen, wo man diese errichten konnte.
    »Das meine ich nicht«, wiederholte Annelie. »Weißt du schon, was du Lukas sagen wirst? Weil er dich doch gefragt hat, ob du seine Frau werden möchtest.«
    Elisa blickte verwundert hoch. Ihre Wangen waren von der frischen Luft gerötet. Obwohl sie nie ganz sauber war, ihre Kleidung von Flicken übersät und die Haare immer ungebändigt, war Annelie die Stieftochter nie so schön erschienen wie in den letzten Monaten. Der kindliche Trotz war aus ihren Zügen verschwunden, und zurückgeblieben war eine energische, willensstarke, zugleich aber auch schweigsame und spröde Frau.
    Manchmal blickte Annelie sie an und dachte, dass sie gerne wie sie wäre: weniger schwach, weniger geschwätzig … und weniger verlogen.
    Elisa würde den Brief, der heute gekommen war, nie vor ihr verbergen, würde im Umgang mit anderen Menschen nie derartig eigennützig handeln, nicht die kühle Berechnung vor ehrliche Zuneigung stellen.
    Annelie seufzte. Sie konnte einfach nicht anders.
    »Was soll ich ihm denn noch sagen?«, fragte Elisa. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich seinen Antrag längst abgelehnt habe.«
    »Das stimmt«, meinte Annelie, »aber ich weiß auch, dass er ihn in den letzten Monaten mehrmals wiederholt hat. Lukas ist ein stiller Mann, jedoch sehr beharrlich. Er wird nicht so schnell aufgeben. Zumal es hier nicht viele Frauen gibt, um die er werben kann.«
    Elisa blickte wieder auf ihre Hände, doch diesmal, so war sich Annelie sicher, fiel ihr die Erde unter den Nägeln gar nicht auf. »Ich … ich kann nicht«, flüsterte sie heiser.
    Wieder seufzte Annelie, doch dann trat sie entschlossen auf Elisa zu, nahm erst die eine, dann die andere Hand, drückte beide und sah ihr fest ins Gesicht.
    »Hast du auch an deinen Vater gedacht?«, fragte sie.
    Elisa runzelte die Stirn. »Was hat er damit zu tun? Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er bemerkt hat, dass Lukas und ich …« Sie brach ab; selten sprachen sie so offen darüber, dass Richard meist nicht nur blind für alle Belange des Alltags, sondern auch für die beiden Frauen war. Gewiss, er hatte neuen Lebensmut gefasst, manchmal lächelte er sie an, aber seit seiner Krankheit schien sein Trachten und Denken vordringlich um ihn selbst zu kreisen.
    »Ich weiß«, sagte Annelie schnell. »Aber das meine ich nicht. Dein Vater … dein Vater fühlt sich so verloren hier. Es geht ihm besser als damals auf der Hazienda, aber er ist immer noch nicht in diesem Land angekommen. Es fehlen ihm die Erinnerungen an glückliche Zeiten, es fehlen ihm die Wurzeln. Ich dachte mir, dass es so viel besser wäre, wenn er … wenn er endlich einen Sohn hätte. Aber ich habe versagt. Mein Schoß ist unfruchtbar.«
    Elisa entzog ihr unwirsch die Hände. »Nur weil du zwei Mal ein Kind verloren hast, muss das nicht heißen …«
    »Es geschah nicht nur zwei Mal«, unterbrach Annelie sie rasch. »Es geschah sogar noch öfter, doch das zählt jetzt nicht. Ach, Elisa, ich weiß, dass du mich trösten willst, aber es ist, wie es ist, und ich … Wir alle müssen uns damit abfinden: Ich kann keine Kinder bekommen.«
    Elisa riss die Augen auf. »Aber …«
    Abermals ergriff Annelie ihre Hände, und diesmal entzog Elisa sich ihr nicht. »Ich kann Richard keinen Sohn schenken, ich kann es einfach nicht«, sagte sie leise. Sie fühlte, wie ihre Wangen glühend rot wurden vor Scham. Dabei war es keine Lüge, nur die Verschleierung von Wahrheit. Dass sie es nämlich nicht nur nicht konnte, sondern dass sie es auch nie wieder versuchen wollte. »Aber du, Elisa!«, fuhr sie hastig

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