Im Land der Feuerblume: Roman
Auf dich kann man sich verlassen.«
Elisa schüttelte den Kopf, das Lob erschien ihr ungerecht. Nun gut, vielleicht stimmte es, dass sie tüchtiger war als Christl und sorgfältiger als Lenerl. Und dennoch – wog das diese eine große Lüge auf?
Ich liebe Lukas nicht. Ich liebe einen anderen, hätte sie am liebsten herausgeschrien. Ich kann nicht mehr auf Cornelius warten, nur darum nehme ich deinen Sohn … nicht aus Liebe. Ich mag ihn, ich schätze ihn, aber ich heirate ihn nicht aus Liebe.
Sie verkniff sich das Geständnis, und bei Christines nächsten Worten ahnte sie, dass es auch gar nicht notwendig war.
»Als ich damals den Jakob nahm«, setzte ihre künftige Schwiegermutter an und sprach jene Zweifel an, die Elisa nicht über ihre Lippen brachte, »nun, da dachte ich, es wäre viel zu früh, ich hätte noch nichts vom Leben gehabt und verdiente etwas Besseres als ihn. Nicht, dass mein Jakob ein schlechter Mann wäre, aber immer wenn ich ihn ansah, dann fehlte etwas. Und es machte die Sache nicht leichter, dass ich nicht einmal wusste, was es war. Aber mein Vater, Gott hab ihn selig, hat’s nun mal so bestimmt, dass ich ihn heirate, und so habe ich es getan. Und soll ich dir etwas sagen? Es ist nicht immer leicht, einen Mann zu haben, der wenig spricht und der so selten zeigt, was er fühlt, was er will und was ihn antreibt. Doch man gewöhnt sich daran, und irgendwann ist nur noch wichtig, dass man sich auf ihn verlassen konnte. Dass man weiß: Er ist da, er sorgt für dich, er kämpft an deiner Seite darum, die Kinder großzuziehen und genügend Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen. Das ist so viel mehr wert, als irgendwelchen Flausen nachzujagen.«
Elisa nickte, aber tief in ihrem Innern regte sich Widerstand.
War das, was sie für Cornelius fühlte, nichts als eine Flause im Kopf, die das harte Leben ihr nun austrieb? Und hätte er, wäre er ihr Mann geworden, nicht auch alles getan, um für sie und künftige Kinder zu sorgen?
Kurz tauchte vor ihr das Bild dieser Kinder auf – einer lärmenden, quietschenden, lachenden Schar, die an ihren Röcken hing, doch keines ihrer Gesichter konnte sie genauer erkennen, so sehr verblassten sie. Das Leben hier unterlag dem stetig gleichen Trott. Es würde sich nach ihrer Heirat mit Lukas nicht sonderlich verändern; sie würden, so war beschlossen worden, gemeinsam im Haus der von Grabergs leben. Aber wann immer sie versuchte, sich ihre Zukunft auszumalen, so tauchten keine Bilder vor ihr auf, keine Ahnung von Glück, nur Leere.
Diese Leere verfolgte sie bis in ihre Träume. Nicht länger irrte sie darin durch dichte Wälder, sondern durch namenloses Dunkel; und nicht länger hielt sie Cornelius’ Hand, sondern sie war von Anfang an allein. So, als hätte sie ihn nicht nur verloren, sondern als hätte es ihn nie gegeben. Früher war sie schreiend und weinend aus dunklen Träumen erwacht. In diesen Tagen schlug sie die Augen auf und fühlte sich wie tot.
»Elisa«, drang Christines Stimme zu ihr. »Ich bin so stolz darauf, dass du meine Tochter wirst.«
Wieder nickte Elisa. Tränen stiegen hoch – und versiegten, noch ehe sie über ihre Wangen perlten.
»Ich vermisse meine Mutter. Annelie konnte sie nie wirklich ersetzen. Aber du …«, sie räusperte sich, »du, Christine Steiner, bist es würdig, morgen ihren Platz einzunehmen.«
Poldi lauschte auf die Klänge, und unwillkürlich zuckte sein rechter Fuß im Rhythmus – das einzige verräterische Zeichen. Ansonsten verbat er es sich, auch nur daran zu denken, wie er beim letzten Fest getrunken, getanzt und schließlich seine Lobesrede auf Barbara gehalten hatte.
Nichts auf der Welt hätte ihn dazu gebracht, mit Elisa und Lukas den Polterabend zu feiern und dort mit Barbara zusammenzutreffen, die so kalt und unnahbar war, seit er sie geküsst hatte, die nicht mehr sang, schon gar nicht mehr mit ihm, und auf deren Wangen sich keine Grübchen mehr zeigten.
Noch weniger als Barbara wollte er dem gönnerhaften Taddäus begegnen, der es, obwohl er sonst so steif war und so wenig lachte, offenbar lustig fand, dass ein Bengel für seine Frau schwärmte.
Am schlimmsten wäre es schließlich, Resa zu sehen, die ihn stets erwartungsvoll anstarrte und sich insgeheim wohl fragte, ob er nun hinter ihrer Mutter her war oder eben doch hinter ihr. In den letzten Wochen hatte er alles getan, genau letzteren Eindruck zu verstärken, um Barbaras Ruf und seinen Stolz zu schützen, aber heute konnte er sich nicht
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