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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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sogar bei der Arbeit geholfen, und wenn er sie, was sehr selten vorkam, scheu anlächelte, so war ihr das Lohn genug gewesen. Auch wenn die Mutter und die Brüder hinterher lästerten, dass sie sich zu Hause nie so viel Mühe gab. Zu Hause gab es ja auch keinen Viktor, den sie beeindrucken, den sie küssen wollte. Ja, auch das hatte sie einmal getan – zumindest hatte sie es versucht. Ehe ihre Lippen seine berührten, war er zurückgezuckt und hatte sie stehen lassen. Doch heute Abend, so war sie sich sicher, würde er ihr nicht entkommen! Heute Abend musste er wieder mit ihr tanzen und sie endlich küssen!
    »Was willst du?«, fragte Viktor erneut.
    Er starrte sie so misstrauisch an wie eine Fremde.
    Unwillkürlich zuckte sie zurück, fasste dann aber Mut und blieb entschlossen stehen. Sie deutete hinter sich. Zwar konnte man vom Haus der von Grabergs nur das Giebeldach sehen, doch wenn man genau hinhörte, so vernahm man etwas von dem Gemurmel und der Musik, die bereits gespielt wurde.
    »Ich habe dir doch erzählt, dass Elisa morgen meinen Bruder heiratet. Und heute wird getanzt! Es ist schließlich sein letzter Tag in Freiheit.«
    Ihr entfuhr ein nervöses Kichern.
    Viktor öffnete die Tür und trat auf die Schwelle, aber es wirkte nicht einladend, vielmehr so, als könnte er sein Haus auf diese Weise noch besser vor einem ungebetenen Eindringling beschützen. Er stand steif da, und sein Gesicht war so starr, als läge es unter einer Maske verborgen.
    Christls Kichern erstarb.
    »Ich dachte, du begleitest mich … und wir tanzen gemeinsam.«
    Sie senkte ihren Blick, und nun, da sie nicht in seine kalten Augen sah, fiel es ihr leichter, seine Hand zu nehmen, sie fest zu packen, ihn mit sich zu ziehen. Er versteifte sich noch mehr.
    »Lass mich los!«
    »Was hast du denn? Wir haben doch schon einmal getanzt, erinnerst du dich nicht? Du hattest Spaß daran, ich bin es, die Christl, und ich dachte …«
    Sie brach ab. Keinerlei Begreifen regte sich in seinem Gesicht, keinerlei Vertraulichkeit. Nicht nur, dass er sie wie eine Fremde anstarrte – er selbst war ihr plötzlich fremd. Enttäuschung begann an ihr zu nagen, und noch viel lauter, viel stürmischer überkam sie die Wut. Schlimm genug, dass sie kein schönes Kleid besaß! Schlimm genug, dass sie in diesem fremden Land auf so vieles verzichten musste! Schlimm genug auch, dass ihr immer irgendjemand damit in den Ohren lag, sie müsse mehr und härter arbeiten!
    Und jetzt sollte sie auch noch die Launen dieses Sonderlings ertragen, die steten Schwankungen, denen seine Stimmung unterlag?
    »Was ist nur mit dir los?«, herrschte sie ihn an. »Jedem Schritt, den du auf mich zumachst, folgen zwei zurück! Warum stößt du mich immer wieder vor den Kopf? Ich dachte, du magst mich! Ich dachte, wir beide …« Sie brach ab. »Gefalle ich dir etwa nicht?«
    Ein schriller Laut trat ihr über die Lippen, er hatte keine Ähnlichkeit mehr mit einem Kichern, eher mit einem Schluchzen. Erneut trat sie auf ihn zu, nahm wieder seine Hand, ja, begnügte sich nicht mit ihr. Sie packte ihn an den Schultern, zog ihn einfach an sich, schwankte zwischen der Gier, seinen Körper noch dichter an ihren zu ziehen, und Ekel, ihn von sich zu stoßen, weil er so steif war, so dürr, so kalt …
    Ehe eine dieser Regungen die Oberhand gewinnen konnte, ging ein Ruck durch seine Gestalt. Er riss sich los und fiel ob der Wucht fast zu Boden. Panisch hielt er sich an der Tür fest, als wäre diese seine einzige Rettung. Erst als die Holzbalken bedrohlich knirschten, ließ er sie los, begann jedoch nun, mit den Händen wild um sich zu schlagen. Er traf Christl nicht, sie war schon einige Schritte fortgelaufen. Von dort starrte sie verwirrt und ängstlich auf den grotesken Tanz, den er vollführte, sah, wie seine Hände sich zu Fäusten ballten und wie er mit den Füßen um sich trat, so, als hätte sie nichts Geringeres geplant, als ihn zu erwürgen und als müsste er sich mit sämtlichen Gliedern seines Körpers zur Wehr zu setzen.
    »Hast du den Verstand verloren!«, schrie sie. »Was führst du dich denn so auf?« Sie stampfte auf den Boden auf, und plötzlich wurde Viktor wieder ruhig. Wie gelähmt wirkte sein Körper, und das machte ihr nicht weniger Angst. Sie schüttelte den Kopf. »Hab ich’s nötig, einem wie dir nachzulaufen?«
    »Einem wie mir?«
    Er klang heiser.
    »Du bist kein rechter Mann, Viktor«, schrie sie, »du bist ein … du bist ein …«
    Kein Schimpfwort wollte

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