Im Land der Feuerblume: Roman
unterteilt war: Die Mapuche würden schließlich Vielweiberei betreiben; wahrscheinlich lebten in den Lederwänden jeweils eine Frau mit ihren Kindern.
Elisa wusste nicht, ob sie recht hatte. In jedem Fall hörten sie nie etwas von anderen Frauen und bekamen nur jene zu Gesicht, die ihnen regelmäßig zu essen brachte und ihre täglichen Arbeiten verrichtete.
Auch über sie stellte Magdalena Vermutungen an. Der Stoff ihrer Kleider war fein und bunt, folglich kostbar, was wiederum bedeuten könnte, dass sie sich im Heim des Häuptlings befänden – ein gutes Zeichen, hieße es doch, dass sie unter dessen Schutz stehen würden.
Elisa wusste auch diesmal nicht, wie viel sie glauben sollte, war aber erleichtert, dass der Grimmige nicht wieder aufgetaucht war und die Frau sie mittlerweile manchmal sogar verstohlen anlächelte. Als sie ihnen das letzte Mal zu essen reichte, war die Portion an gedörrtem und geräuchertem Fleisch etwas größer ausgefallen, und ihr bei der Arbeit zuzusehen, lenkte Elisa von düsteren Gedanken ab. Mit sichtlichem Geschick nähte sie an Ponchos, Satteldecken und Taschen, Umhängen und Schärpen. Sie flocht Taue, knüpfte Netze und Körbe und stellte schließlich aus einer gräulichen Masse Töpfe her.
»Wahrscheinlich Ton«, meinte Magdalena.
Es war nicht das einzige Material, über das die Mapuche verfügten. Elisa sah auch Platten, Teller und Kessel aus Kupfer. In manchen von ihnen zerstieß die Frau stark riechende Pflanzen und kochte schließlich einen Sud daraus. Später schwenkte sie Kleidungsstücke darin, die sich dann verfärbten, in Rot oder Schwarz, Grün oder Blau.
Als es in der Ruca wenig Neues zu beobachten gab, spähte Elisa immer öfter durch die Ritzen nach draußen. Sie sah alle möglichen Arten von Tieren, die die Mapuche hielten – manche vertraut, manche fremd – und dann schließlich, kurz nach der Mittagszeit, hatte sie plötzlich das Getrampel von Hufen vernommen, das eine Horde Reiter ankündigte.
Alle hoben überrascht den Kopf, und die Mapuchefrau sprang auf und eilte nach draußen, um nachzusehen, was dort geschah. Wenige Augenblicke später kam sie mit glühendem Gesicht zurück und vollführte wilde Gesten. Elisa verstand ihre Worte nicht, aber sie war sich sicher, dass die Aufregung nur verheißen konnte, dass Fremde ins Dorf gekommen waren.
»Vielleicht … vielleicht unseretwegen!«
Noch dichter presste sie nun ihr Gesicht an die Ritzen. Zunächst sah sie nichts, dann aber glaubte sie in äußerster Ferne eine Gestalt zu sehen, die nichts mit den Mapuche gemein hatte. Das Haar war nicht dunkel, sondern rötlich-braun, die Haut nicht gegerbt, sondern viel heller. War es ein Trugbild, oder hatte Cornelius sie gesucht und gefunden?
Er stand mit dem Rücken zu ihr gekehrt, doch ehe er sich zu ihr umdrehte und sie Gewissheit erhielt, war er in einer Ruca verschwunden.
»Was geschieht da draußen, was geschieht?«, stammelte sie immer wieder.
Magdalena zuckte hilflos die Schultern, Stille breitete sich aus.
Elisa hockte so starr, dass ihr schließlich die Füße einschliefen und sie aufstehen musste. Das Blut schoss kribbelnd in die Glieder. Sie sah, dass auch Magdalena gespannt nach draußen starrte, doch als sich ihre Blicke kurz trafen, sagten sie kein Wort, als ob die Hoffnung auf Rettung augenblicklich schwinden würde, wenn sie ihr zu früh nachgaben.
Elisa wollte sich eben wieder hinknien, als sich plötzlich vor dem Zelt etwas tat. Laute Schritte rammten sich in den Boden, dann wurde die Ledertür aufgerissen. Einen kurzen Moment lang blendete sie die Sonne so stark, dass Elisa nur schattenhaft einen großgewachsenen Mann sah, der auf sie zustürmte, und der erste Laut, der ihr über die Lippen kam, war einer der Erleichterung.
Cornelius … Cornelius war gekommen, sie zu retten.
Doch als der Mann zu schreien begann, wusste sie, dass sie sich geirrt hatte. Erst jetzt sah sie, dass sein Haar viel zu lang war, um Cornelius zu gehören, seine Züge viel zu grimmig, sein Gesicht viel zu böse.
Die dunklen Augen funkelten, als er sie weiterhin anschrie, sie schließlich am Arm packte und mitzerrte.
Magdalena kreischte angstvoll auf, doch Elisa konnte nicht schreien. Der Mund wurde ihr trocken, und sie stolperte über die eigenen Füße.
Im nächsten Moment sprangen zwei Gestalten gleichzeitig auf den Mann zu, um Elisa zu befreien – Magdalena mit todernstem Gesicht, die Mapuchefrau mit lautem Gezeter. Ein einziger grober Schlag
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