Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
Vom Netzwerk:
sicher, ohnmächtig zu werden. Vielleicht hatte das sein Gutes, schoss es ihr durch den Kopf; so musste sie wenigstens nicht bewusst erleben, was er ihr antat.
    Doch die Schmerzen in ihrem Gesicht, ihrer Kopfhaut, ihrem Nacken hielten unvermindert an. Nein, sie wurde nicht ohnmächtig, der Himmel hatte sich nur verdunkelt, weil sich plötzlich eine Gestalt über den Mapuche beugte, ihn von ihr fortriss. Sie wälzte sich zur Seite, blieb einige Augenblicke keuchend liegen, griff an ihre Lippen, geschwollen und gefühllos. Als sie sich aufrichtete, überkam sie Schwindel. Eine Weile sah und hörte sie nichts mehr, und nachdem ihr Blick endlich wieder klar geworden war, war der Mapuche verschwunden und Cornelius stand vor ihr.

    Plötzlich war da kein Schmerz mehr, keine Angst und kein Entsetzen, nur mehr Wärme. Cornelius griff nach ihrer Hand, ohne darauf zu achten, dass Blut davon perlte, und zog sie an sich.
    »Wo …wo …«, brachte sie hervor.
    »Keine Angst, er ist fort!«
    Sie fragte nicht, womit er den Mapuche in die Flucht geschlagen hatte. Erst viel später überlegte sie, ob drohende Worte genügt hatten, er seine Fäuste einsetzen oder gar mit der Pistole fuchteln musste. In diesem Augenblick zählte es nicht – nur Cornelius zählte, dass er bei ihr war, sie umarmte, ihren Kopf an seine Brust presste. Langsam beruhigte sich ihr Atem, aber ihre Beine zitterten weiterhin.
    »Er wollte seinen Bruder rächen«, stammelte sie. »Er wollte mir Gewalt antun, um seinen Bruder zu rächen.«
    »Es ist vorbei, Elisa. Quidel hat mit dem Kaziken gesprochen. Er hatte nichts mit dem Überfall zu tun, es war eine Sache der Jungen. Als der Kazike erklärte, dass er euch freilassen würde, kam es zu einem Streit, sogar zu einem Handgemenge. Wenn wir Poldi nicht zurückgehalten hätten, er hätte einige der Männer eigenhändig erwürgt. Am Ende hat er sich selbst ein blaues Auge eingefangen. Aber nun …«
    Beschwichtigend redete er eine Weile auf sie ein, doch sie verstand nur wenige seiner Worte und was sie verhießen. Nur, dass er hier bei ihr war – das verstand sie.
    Zunächst reichte es ihr, an ihn gelehnt zu stehen. Doch irgendwann war das zu wenig, um sich zu beweisen, dass sie lebte, dass niemand mehr sie bedrohte, dass sie frei war. Sie umschlang seinen Nacken und presste sich noch fester an ihn. Ihre Füße standen zwar still, aber das Zittern stieg höher und erreichte ihre Brust. Sie schluchzte auf, und dann brachen sich die Tränen ihre Bahn. Sie weinte, und er hielt sie, und als es endlich vorbei war, wusste sie nicht, ob es Stunden oder nur wenige Augenblicke gewährt hatte.
    Sie löste ihren Kopf von seiner Brust, ließ ihn jedoch nicht los. »Ich dachte, ich würde dich niemals wiedersehen. Ich dachte, ich müsste in der Fremde leben … ohne dich …«
    Er streichelte über ihre Wangen, und obwohl diese Berührung behutsam und zögerlich war, brachte sie die Erinnerung an die Schläge zurück, die der Mapuche ihr zugefügt hatte – und den Schmerz. Ihre Kopfhaut brannte nach wie vor; nicht nur ihre Lippen fühlten sich geschwollen an, sondern auch das rechte Auge.
    »Lukas …«, brachte sie hervor.
    »Er lebt noch«, sagte er hastig. »Er wurde übel am Kopf erwischt, aber Jule hat ihn versorgt. Du weißt: Auf ihre heilenden Hände ist Verlass. Und deinen Söhnen geht es allen gut.«
    »Aber Vater …«, murmelte sie tonlos.
    »Richard und Taddäus sind tot.«
    Eine Weile standen sie schweigend beisammen; sie wusste nichts zu sagen, um den schrecklichen Verlust in Worte zu fassen. Wieder wollte er ihren Kopf an seine Brust drücken, doch mitten in der Bewegung sträubte sie sich.
    Es war immer noch zu wenig, viel zu wenig.
    Die Schmerzen ließen nach, die quälenden Erinnerungen erloschen, die Angst vor dem, was kommen würde, zählte nicht.
    Sie hob den Kopf und starrte in sein Gesicht. Kurz blieb ein letzter Abstand zwischen ihnen, dann überbrückte sie auch diesen und küsste ihn auf den Mund – küsste ihn so, wie sie ihn einst nach dem Schiffsbrand geküsst hatte, zärtlich und vorsichtig zuerst, dann gierig und leidenschaftlich, hitzig und verzweifelt. Nie hatte sie Lukas so geküsst, nie in seinen Armen gleiche Wärme gefunden, jene Sehnsucht, ihn fester, immer fester zu halten, ihn niemals loszulassen. Ihre Lippen schmerzten von dem Schlag, aber dieser Schmerz geriet kümmerlich im Vergleich zu der wohligen Vertrautheit, als sich sein Mund öffnete, ihre Zungen

Weitere Kostenlose Bücher