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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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seinesgleichen leben konnte – in der Siedlung der Deutschen aber unter Fremden, von denen ihm nicht wenige, ähnlich dem misstrauischen Poldi, insgeheim den Überfall anlasteten. Und dass er nie wirklich Teil ihrer Gemeinschaft gewesen war, immer nur sein Freund. Weil das so war, wollte Cornelius ihm den Abschied, trotz aller Bestürzung, nicht unnötig schwermachen, aber er fühlte sich einsam und verloren, als er von Quidel fortritt.
    Die anderen teilten diese Trauer zwar nicht, doch nach der ersten Erleichterung, dass alles gut verlaufen war, hatte sich eine düstere Stimmung über die gesenkt. Das Katherl, das vor Poldi auf dem Pferd ritt, juchzte wie immer, aber die Mienen der anderen waren wie erstarrt.
    Elisa sah ihn kein einziges Mal an. Magdalena war eigentlich immer ernst und betete auch jetzt in einem fort. Fritz war in Gedanken versunken, die Cornelius nicht erahnen konnte. Und Poldi wirkte ärgerlich. Ein offener Kampf wäre ihm sichtlich lieber gewesen als ein friedliches Auseinandergehen. So aber hatte sich sein Hunger nach Rache nicht erfüllt, und seit sie das Dorf verlassen hatten – mit stoischen Gesichtern waren die Mapuche Spalier gestanden –, blickte er sich ständig um, wohl in der Hoffnung, dass doch noch jemand versuchen würde, sie gewaltsam aufzuhalten. Die Bande, die der eine gewaltsame Mapuche um sich geschart hatte, hatte sich indessen zerstreut. Über Quidel hatte der Kazike ihnen ausrichten lassen, dass sie auf dem Rückweg nichts zu befürchten hätten, und er hatte ihnen sogar zwei Pferde überlassen – eines für Elisa, das andere für Magdalena und das Katherl. Ohne Zweifel waren es alte Tiere, auf denen kein junger Mapuche mehr geritten wäre; bei höherem Tempo stand ihnen bald weißer Schaum vor dem Mund, weswegen sie nur langsam vorankamen. Dennoch empfand Cornelius das Geschenk, von dem Poldi behauptete, es sei eine mehr schlechte als rechte Wiedergutmachung für den Überfall, als großzügig und alles andere als selbstverständlich.
    Cornelius fragte sich, ob es anders gewesen wäre, wenn sie Spanier gewesen wären. Am allermeisten hatte ihnen zweifellos Quidel geholfen, und wiederholt seufzte er in Gedenken an den Freund. Gerne hätte er mit jemandem über den Abschied von ihm gesprochen, doch ihre kleine Truppe verharrte auch noch am nächsten Tag, als sie morgens mit steifen Gliedern vom harten Boden aufstanden, in Schweigen.
    Immer noch hielt Elisa ihren Blick gesenkt. Cornelius konnte den Schmerz wittern, der hinter vermeintlich gleichmütiger, erstarrter Fassade brodelte, aber er wusste kein anderes Mittel, ihn zu lindern, als sich so gut wie möglich von ihr fernzuhalten.
    Zunächst war er als Letzter geritten; gegen Mittag schloss er schließlich zu Fritz auf. Obwohl eigentlich der Umsichtigste, der stets auf den Weg und mögliche Hindernisse achtete, schien dieser ihn nun gar nicht wahrzunehmen. Sein Blick war in sich gekehrt und ließ unbeachtet das Land vorüberziehen, dessen Schönheit er vor wenigen Tagen noch bewundert hatte. Erst nach einer Weile, da Cornelius an seiner Seite ritt, sah er auf.
    »Woran denkst du?«, fragte Cornelius unvermittelt.
    Fritz zuckte zusammen, als hätte er ihn ertappt.
    »An die Träume …«, murmelte er schließlich gedankenverloren.
    »Wie?«, fragte Cornelius verständnislos. Nicht nur, dass Fritz so in sich versunken wirkte – obendrein war die übliche grimmige Entschlossenheit aus seinem Gesicht gewichen. Cornelius versuchte, sich mühsam zu entsinnen, was Fritz in den letzten Tagen gesagt und getan hatte und ob ihm irgendetwas widerfahren war, was ihn in seinen Grundfesten erschüttert hatte. Doch er konnte sich an nichts Besonderes erinnern – nur an sein stetes Trachten, Poldis Durst nach Rache zu zähmen.
    »Du wirkst so … verloren«, sagte Cornelius nach einer Weile, da nichts mehr von Fritz kam. Er war sich nicht sicher, ob er mit diesem Wort die Wahrheit traf, aber es fiel ihm kein besseres ein, den sonderbaren Gemütszustand zu benennen.
    »Es geht mir einfach nicht aus dem Kopf, was Quidel erzählt hat«, setzte Fritz an, als Cornelius schon gar nicht mehr mit einer Antwort rechnete. »Du weißt schon, vor einigen Tagen, noch ehe wir das Dorf der Mapuche erreichten. Er sagte, dass man Träume nicht für sich behalten dürfe, sondern sie erzählen müsse.«
    Cornelius runzelte die Stirn. »Und das beschäftigt dich?«
    »Ich frage mich, ob es ein Fehler war, dass ich meine Träume meist verschwiegen

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