Im Land der Feuerblume: Roman
sobald seine Hand auf ihrem Fleisch ruhte, konnte er sie nicht mehr zurückziehen.
Das Bild vor Gretas Augen klärte sich. Sie sah ihn an, sah, wie er rot wurde, dann erbleichte, wie sein Blick zu flackern begann, um plötzlich wieder ganz starr zu werden, sah die Gier, die ihn überkam, sah, wie die Lust, eine kranke, abartige Lust seine Gedanken aushöhlte.
Schließlich ließ er ihre Brüste los, doch als sie ihre Bluse wieder über den nackten Leib ziehen wollte, schlug er ihre Hände weg, packte sie an den Gelenken und hielt sie über ihrem Kopf fest. Eben noch hatte sie vermeint, er wolle sie zerquetschen, jetzt schien es ihr, als zöge er sie in die Länge, immer weiter, bis sie zerreißen würde. Als er ihre Hände endlich wieder losließ, fielen sie ihr kraftlos auf die Brust.
»Gar nichts bist du ohne mich. Wenn ich gehe, bist du zerstört!«
»Aber du gehst nicht!«, kreischte er. »Du gehörst mir.«
Greta schloss die Augen. Sie dachte an Poldi und Barbara, während Viktor erst an ihrem Rock nestelte, dann an seiner Hose, als sie sein Geschlecht an ihren nackten Schenkeln fühlte, warm und hart, als er in sie eindringen wollte, aber ihre Scham nicht fand, schließlich beide Hände zu Hilfe nehmen musste, um ihr Knie anzuheben, ihre Beine zu spreizen und zuzustoßen – Hände, die zitterten.
Greta zitterte nicht, sondern machte sich steif, als unter der Wucht seiner Stöße ihr Körper immer wieder gegen die Holzwand geworfen wurde. Sie spürte keinen Schmerz, aber auch nicht länger Lust, spürte weder die Wärme seines Atems noch das Blut, das über ihre Schenkel tropfte, oder seine Nässe, als er nach wenigen ruckartigen Stößen in ihr zu zerbersten schien.
Er wich zurück. Ihr Rock rutschte über die nassen Beine nach unten.
»Was habe ich getan!«, stöhnte er auf.
Seine Lippen zuckten, seine Augen spuckten Tränen.
Gretas Augen hingegen blieben trocken. Sie lachte rauh, aber weinen konnte sie nicht.
32. KAPITEL
S ie begruben Lukas drei Wochen nach seinem Sohn Ricardo. Es war leicht, in der noch aufgewühlten Erde ein neuerliches Loch zu graben.
Christine weinte fortwährend und stammelte etwas vom zweiten Sohn, den sie nun verloren hätte, woraufhin Jule bitter bemerkte: »Fritz ist nicht tot. Also rede nicht so, als wäre er es.«
»Lass sie doch«, sagte Annelie leise, und Jule schwieg tatsächlich. Später, als sie bei einem kärglichen Mahl, das niemand anrührte, beisammensaßen, blieb Jule immer noch stumm, und Christine hatte zu weinen aufgehört. Sie wirkte uralt; binnen weniger Tage hatten sich tiefe Falten in ihr Gesicht gegraben, ihr Haar hatte an Farbe verloren und war schütter geworden. Hatte der Kummer sie zur Greisin gemacht, so glich Poldi nun einem Kind. Der Gram seiner Mutter machte ihn hilflos; dass er der einzige Sohn an ihrer Seite verblieben war, überforderte ihn sichtlich. Mehrmals wollte er etwas zu ihr sagen, doch er schaffte es nicht.
Am Ende wandte er sich nicht an seine Mutter, sondern an Elisa. »Ich werde dir helfen, wo immer ich kann«, versprach er ihr. Die Scham über sein Mitleid und seine Hilfsbereitschaft, obwohl sie doch beides nicht verdiente, trieb ihr das Blut ins Gesicht. Es war das erste starke Gefühl, das ihre Starre durchbrach.
Sie brachte kein Wort hervor, nickte nur und fragte sich im Stillen, wie es ihr künftig gelingen sollte, die Fassade zu wahren und vor den anderen zu verbergen, was ihr neben der Trauer um Lukas zur Qual wurde. Unmöglich schien es ihr, dass die anderen sie nicht bemerkt hatten – diese zögerlichen, schuldbewussten Blicke, die sie Cornelius bei der Beerdigung zugeworfen hatte! Als sie ihn begrüßt hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, sie müsste im Erdboden verschwinden.
Dass ausgerechnet Cornelius die Gebete sprach, hatte sich nicht verhindern lassen, ein jeder erwartete das von ihm – und trotzdem zürnte sie ihm insgeheim dafür, empfand es als anmaßend, ja, als Beleidigung für Lukas.
Wie konnte er es wagen!, ging es ihr auch jetzt durch den Kopf, als sie sah, wie er Christine zu trösten versuchte, ihr die Hand auf die Schultern legte und die alte Frau es ihm gestattete. Wie konnte er es wagen!
Vor allem aber – und dieser Gedanke setzte ihr noch mehr zu: Wie konnte sie selbst es wagen, die trauernde Witwe zu mimen, wo sie doch im gleichen Moment, da Lukas vom Dach gestürzt war, größte Lust in den Händen eines anderen Mannes gefunden hatte, obendrein nur wenige Wochen nachdem ihr geliebtes
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