Im Land der Feuerblume: Roman
davon leben?«
»Ich weiß nur, dass er mittlerweile Gesellschafter der deutschen Zeitung ist, die vor zehn Jahren das erste Mal in Valparaíso erschienen ist. Er schreibt regelmäßig Artikel für sie und hat mir ganz stolz ein Exemplar geschickt.«
»So ist er also glücklich geworden in der Fremde.« Sie schämte sich insgeheim, dass sie kaum Gedanken an ihn verschwendet hatte. Aber nachdem Fritz ihre Siedlung verlassen hatte, war die dunkelste Zeit in ihrem Leben angebrochen und hatte alles andere so bedeutungslos erscheinen lassen.
Cornelius zuckte mit den Schultern. »Ja, ich glaube, dass er glücklich ist. Er hat nie geheiratet, aber er gehört wohl zu den Menschen, die sich selbst genügen, so wie Jule.«
»Nun ja«, murmelte Elisa. »Vielleicht ist das sogar am besten … sich selbst zu genügen.«
Er sah sie an, so offen, so forsch wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Versuchte er, in ihrem Gesicht zu lesen? Nach Spuren des Kummers, weil sie weder gemeinsam glücklich geworden waren noch ohne einander?
Rasch senkte sie ihren Blick – und fortan schwiegen sie wieder.
»Du weißt doch, wo sie sind! Du weißt es!«
Poldi blickte müde hoch. Greta war wie eine Naturgewalt über ihn hereingebrochen. Grußlos war sie in sein Haus gestürmt und ließ sich nun schon seit Stunden nicht zum Gehen bewegen. »Warum sollte ich es wissen?«, fragte er zum wiederholten Male.
Zuerst war er erschrocken gewesen, als sie plötzlich in die Stube geplatzt war; dann hatte er sich zunehmend unbehaglich gefühlt; mittlerweile war er vor allem gereizt.
Den anderen erging es wohl ähnlich. Resa wandte sich nicht direkt an Greta, sondern forderte ihn zunehmend angespannt auf, endlich etwas zu tun. Barbara hatte anfangs besänftigend auf Greta eingeredet, jedoch damit aufgehört, nachdem sie sich keifende, wutentbrannte Beschimpfungen hatte anhören müssen. Und seine Töchter kicherten oder tuschelten unentwegt, was Poldi mit der Zeit genauso zusetzte wie Gretas Gekreisch.
»Jetzt geh doch endlich!«, stöhnte er.
»Ich gehe erst, wenn du mir sagst, wo Elisa und Cornelius sind!«
»Wie oft soll ich es denn noch beteuern? Ich habe keine Ahnung! Glaubst du denn, Elisa fragt mich um Erlaubnis, ehe sie etwas tut?«
»Du und Elisa … ihr wart doch auch auf dem Schiff unzertrennlich.« Ein kaltes Glimmen trat in Gretas Blick. Poldi gruselte es. Sie war ihm immer schon zuwider gewesen, doch nie so unheimlich wie jetzt.
»Auf dem Schiff?«, fragte er verständnislos. »Greta, das ist Ewigkeiten her! Wir waren damals noch Kinder!«
Doch sie schien jedes Gefühl für Zeit und Raum verloren zu haben. »Sag es mir!«, kreischte sie über seinen Einwand hinweg. »Sag mir, wo Emilia, Cornelius und Elisa sind!«
Plötzlich begnügte sie sich nicht mehr mit ihren schrillen Worten, sondern ging mit erhobenen Händen auf ihn los. Gerade noch rechtzeitig konnte er sie festhalten, damit sie ihm nicht das Gesicht zerkratzte. Seine Töchter schrien auf.
Poldi verspürte Ekel, Gretas Leib so dicht an seinem zu spüren. Ihre dünnen Haare waren aufgelöst und kitzelten sein Gesicht, ihr Kleid war fleckig und roch nach Schweiß. Barsch stieß er sie von sich.
»Geh, Greta!« Er verlor endgültig jegliche Beherrschung. »Hau endlich ab!«
»Wo sind sie?«, hielt sie dagegen.
Sie drehten sich im Kreis. Er drang einfach nicht zu ihr durch. »Selbst wenn ich es wüsste«, presste er hervor, »so würde ich es dir ganz gewiss nicht sagen.«
Ein triumphierendes Lächeln trat auf ihre Lippen, als hätte sie nun endlich seine Lüge entlarvt. »Wusst’ ich’s doch, dass sie es dir erzählt hat. Du magst mich für verrückt halten, wie alle anderen auch, aber ich durchschaue die Menschen! Ich durchschaue sie!«
Abermals ging sie mit erhobenen Händen auf ihn los, und wieder konnte er sie nur mühsam zurückhalten, ihn zu kratzen. Am liebsten hätte er sie gepackt und eigenhändig zurück in ihr Haus geschleift. Es war Barbara, die ihn aufhielt, als er sie energisch von sich stieß und Greta taumelte. »So tu ihr doch keine Gewalt an!«, schrie sie entsetzt.
»Was soll ich denn sonst mit ihr tun? Willst du sie bei uns leben lassen, bis Elisa zurückkehrt?«, rief Poldi.
»Redet nicht über mich, als wäre ich nicht hier!«, kreischte Greta. »Ich weiß, dass ihr das getan habt. Ihr habt über uns getuschelt, über mich und Viktor und später über mich und Cornelius, aber …«
Poldi riss endgültig der Geduldsfaden. »Da du schon
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