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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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seine Frau anzusehen. Der Mund war ihm trocken geworden.
    »Resa«, flüsterte Barbara an seiner statt.
    »Sag nichts, Mutter. Ich habe es immer geahnt.«
    Ihre Stimme zitterte nicht; kein Schluchzen begleitete ihre Worte. Sie klang so hart und kalt, dass Poldi unwillkürlich ein Schauder überrann. Wortlos ließ Resa Barbara los, ging zu einer der Truhen und öffnete sie. Dann beugte sie sich darüber und nahm einige Kleider und Blusen heraus.
    Poldi ertrug ihren Anblick nicht und noch weniger den von Barbara, die wie zur Salzsäule erstarrt dastand, mit bebenden Lippen und wässrigen Augen.
    Greta dagegen hörte nicht zu lachen auf.
    »Du …du …!«, fuhr Poldi sie an. »Warum musst du immer Zerstörung bringen?«
    Das Lachen von Greta wurde abgehackter. »Ha!«, machte sie. »Ha!«
    Dann wandte sie sich mit breitem Grinsen ab und ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Nachdem sie verschwunden war, wurde es so still, dass Poldi vermeinte, jeden Herzschlag zu hören. Seine drei Töchter klammerten sich verwirrt aneinander. Er selbst stand so starr wie Barbara. Nur Resa räumte seelenruhig und scheinbar ungerührt die Truhe aus.
    »Was tust du denn da?«, brachte Barbara schließlich hervor.
    »Ich packe«, erklärte Resa knapp, ohne sich umzudrehen. »Ich gehe.«
    Da löste sich Barbara aus ihrer Starre. »Nein, nein, das tust du nicht.«
    Plötzlich sah sie alt aus. Ihre Augen hatten sämtliches warme Funkeln verloren. Ihre sonst federnden Schritte, bei denen sie die Hüften schwang, fielen steif aus. Einst hatte sie Poldi gesagt, dass sie nicht leben könnte, ohne zu singen und ohne zu lachen. Doch wann, fragte er sich in diesem Augenblick, wann hatten sie in den letzten Jahren schon gemeinsam gelacht und gesungen? Alles hatte immer so schnell, so gehetzt passieren müssen, alles so heimlich – und nun zeigte sich, dass alle Heimlichkeit umsonst gewesen war.
    Barbara hatte stets jünger, lebendiger und fröhlicher gewirkt als die eigene Tochter, die in den ersten Jahren etwas dümmlich, später verhärmt in die Welt glotzte. Doch nun waren Resas Bewegungen wendig und entschlossen – Barbaras Schritte, die sie auf sie zumachte, dagegen die einer Greisin.
    »Nein«, sagte Barbara wieder. »Du musst nicht gehen. Wenn jemand geht, bin ich es. Ich hätte es schon lange tun sollen. Ich ziehe zu Jule.«

    Als sie endlich in Valparaíso ankamen, überließ Elisa Cornelius die Führung, zutiefst dankbar, dass sie sich nicht allein zurechtfinden musste. Wenn sie später an die Stadt zurückdachte, konnte sie sich an wenig erinnern – nur an den durchdringenden Geruch von Hafen und Meer und dass es entweder steil bergauf oder bergab ging. Sie fand, dass man den Ort weniger als eine Stadt, sondern vielmehr als ein Labyrinth bezeichnen müsse – so kompliziert war das Geflecht der Straßen, Gassen und Viertel.
    Cornelius war neugierig auf die großen Handelshäuser – einige von ihnen in deutscher, die meisten aber in englischer Hand –, und er erzählte von riesigen Lagerhallen, wo Metalle, Wolle vom Schaf oder vom Alpaka, Getreide und Leder aufbewahrt wurden. Mit Rücksicht auf sie verzichtete er jedoch, danach Ausschau zu halten, sondern suchte lieber nach einem Gasthaus, wo sie zu Mittag essen konnten.
    Sie bekamen zähes, viel zu lang gekochtes Rindfleisch mit wässrig schmeckendem Gemüse serviert. Wenn Elisa nicht so hungrig gewesen wäre, hätte sie keinen Bissen heruntergebracht. Der Wirt war geschwätzig und blieb lange an ihrem Tisch stehen. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass sie Deutsche waren, behauptete er stolz, auch von dort zu kommen, obwohl er kein einziges Wort dieser Sprache verstand. Stattdessen vermischte er russische, englische und italienische Sätze – alles Nationalitäten, die in Valparaíso lebten und dort kleine Gemeinschaften bildeten.
    War es auch schwer, sich mit ihm zu verständigen, so wurde er immerhin hellhörig, als Cornelius nach Fritz Steiner fragte. Er schien ihn gut zu kennen, nannte ihn allerdings Federico statt Fritz, und Steiner klang aus seinem Mund unfreiwillig komisch.
    Cornelius fragte nach dem Weg zu ihm, doch der Wirt, immer noch anbiedernd die Zähne bleckend, meinte stolz, dass Señor Steiner häufig bei ihm Gast sei und er ihm gerne einen Boten schicke – unter Landsleuten sei solche Hilfeleistung doch selbstverständlich.
    Elisa zweifelte, dass Fritz sich solch grässliche Mahlzeiten freiwillig antun würde, und einmal mehr, dass sie Landsleute

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