Im Land der Feuerblume: Roman
von Cornelius sprichst, frage ich mich eins: Durchschaust du ihn auch so gut wie alle anderen Menschen? Wenn es so wäre, Greta, hättest du längst eingesehen, dass du ihn nicht verdient hast. Ich weiß nicht, warum er dich genommen hat. Aber ich weiß, dass er Elisa hätte heiraten sollen. Dann wäre er glücklich geworden.«
Greta funkelte ihn an. »Er ist glücklich mit mir.«
»Ha!«, lachte Poldi. »Und warum weißt du dann nicht, wo er ist? Warum ist er dann wohl mit Elisa fortgegangen?«
»Du …« Erstmals gingen ihr die Worte aus, allerdings nicht die Kraft. Zum nunmehr dritten Mal sprang sie ihn an wie eine wilde Katze, und diesmal gelang es ihm nicht, sie rechtzeitig an den Handgelenken zu packen. Ihre Fingernägel fuhren über seine Wangen und hinterließen blutige Kratzer.
»Du verdammtes Miststück!«, schrie er auf. Er hörte weder auf Barbara, die ihn zu beschwichtigen versuchte, noch auf Resa, die ihre Hand auf seinen Arm legte, noch auf die jammernden Töchter. Er hob seine Faust, schlug Greta ins Gesicht, und noch ehe er da Klatschen hörte, empfand er tiefe Befriedigung.
Ich hätte nicht so lange damit warten sollen, schoss es ihm durch den Kopf.
Greta schwankte und stieß hart gegen die Wand. Zu Fall aber kam sie nicht. Ihr Körper versteifte sich; ihr eben noch flackernder Blick wurde starr und ausdruckslos.
»Und jetzt verschwinde!«, brüllte Poldi, bevor sie etwas sagen konnte. »Wie gut kann ich nun verstehen, warum dein Vater dich und deinen Bruder so oft verprügelt hat! Ich schwör’s dir: Ich werde dich nochmals schlagen, wenn du nicht endlich abhaust!«
Seine Finger hatten rote Spuren auf ihrer bleichen Haut hinterlassen.
Bevor Greta sich rühren konnte, stellte sich Barbara schützend vor sie. »Poldi, du kannst doch keine Frau schlagen!«, rief sie entsetzt.
Er hätte ihr gerne bewiesen, dass er es sogar ein zweites Mal tun konnte, aber da hatte sich Greta schon umgedreht und ging hinaus. Zumindest hoffte er das. Bei der Tür blieb sie leider in ausreichendem Abstand zu ihm stehen.
»Hör auf, zu heucheln!«, zischte sie Barbara zu. »Gib nicht vor, du würdest dich für mich einsetzen! Du verachtest mich doch auch. Allesamt sitzt ihr auf dem hohen Ross und blickt auf mich hinab. Dabei habt gerade ihr beide, du und Poldi, es am allerwenigsten verdient.« Sie machte eine Pause, starrte erst Barbara an, dann Poldi, schließlich Resa.
Das Rot von Poldis Fingerabdruck verflüchtigte sich. Greta lächelte triumphierend. »Sag, Resa«, setzte sie an, nicht länger schrill keifend oder gefährlich raunend, sondern mit der freundlichsten Stimme, zu der sie fähig war, »sag, Resa, weißt du eigentlich, was dein Mann und deine Mutter hinter deinem Rücken treiben?«
Poldi zuckte zusammen. Barbara erbleichte. »Greta …«
»Weißt du, dass sie sich seit vielen Jahren heimlich im Wald treffen … auf einer ganz bestimmten Lichtung …?«
»Greta, halt den Mund! Du hast keine Ahnung …«
»Und weißt du, dass sie sich dort wie die Tiere wälzen, keuchend und stöhnend und voller Gier?«
Erstmals verstummten die drei Töchter. Sämtliches Kichern und Kreischen blieb ihnen im Hals stecken.
Greta wandte sich von Resa ab und starrte zuerst Poldi, dann Barbara an.
»Ich habe euch gesehen«, erzählte sie genüsslich. »Mehr als nur ein Mal. Es war manchmal ganz lustig zu sehen, wie ihr gehurt habt. Nur irgendwann wurde es langweilig. Sonderlich schön ist ein Mensch nicht anzusehen, wenn die Lust sein Gesicht verzerrt.«
Poldi ballte seine Hände zu Fäusten, aber er konnte sich nicht rühren. Konnte Greta nicht hinauswerfen. Konnte sie nicht zum wiederholten Male schlagen. Konnte vor allem keinen Blick auf Resa werfen.
»Ha!«, lachte Greta ihn an. »Du magst mich für verrückt halten, aber du, Leopold Steiner, du bist so viel verderbter und schlechter als ich. Du bist ein elender Ehebrecher. Mit der eigenen Schwiegermutter hast du deine Frau hintergangen! Ha! Ha!«
Sie lachte, immer lauter, immer schriller, sie konnte gar nicht mehr aufhören damit.
Barbara stürzte auf sie zu, scheinbar gewillt, sie nun selbst zu schlagen. Nie hatte Poldi sie so aufgewühlt gesehen. Er selbst fühlte sämtliches Blut in seine Füße sacken, als alles zusammenbrach – das ganze sorgsam aufgebaute Lügengebäude.
Ehe Barbara Greta erreichte, trat Resa dazwischen und riss ihre Mutter zurück.
»Lass sie in Ruhe!«, sagte sie mit eiskalter Stimme.
Poldi wagte es noch immer nicht,
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