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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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die Frau sie später wieder festband, hatte sie den Span unbemerkt zwischen die Fessel und ihr Handgelenk geschoben.
    Und jetzt schlief die Spanierin tief und fest.
    Emilia beobachtete sie eine Weile, und als sie sicher war, dass nichts sie aufschrecken lassen würde, drückte sie gegen den Holzspan, und prompt flutschte dieser heraus.
    »Na also!«, dachte sie triumphierend, als sie fühlte, dass ihr Plan aufging. Die Fessel saß nun viel lockerer. Blut strömte in ihre Finger und ließ sie kribbeln. Sie machte mit ihren Handgelenken kreisende Bewegungen, so lange, bis sie zuerst die eine Hand, dann die andere aus dem Strick gewunden hatte. Kurz rieb sie sich die schmerzende Stelle, dann erhob sie sich leise, um ihre Fußfesseln zu lösen.
    Der Kopf der Spanierin war auf die Brust gesackt, ein sämiger Speichelfaden troff ihr über das Kinn.
    Nachdem sie sich von den Fesseln befreit hatte, eilte Emilia zum Fenster und spähte durch die Ritzen der Fensterläden. Schummriges Licht hüllte sie ein. Von unten kamen Männerstimmen, Gegröle, Gekreisch und Musik.
    Langsam, ganz langsam öffnete sie die Läden und bemühte sich, das Quietschen auf den Rhythmus des Schnarchens abzustimmen. Immer wieder warf sie unruhige Blicke hinter sich, doch schließlich stand der Laden sperrangelweit offen, und die Frau rührte sich immer noch nicht. Sie spähte hinab und fuhr erschaudernd zurück. Dieser Raum lag höher als gedacht, und sie hatte immer Angst vor der Tiefe gehabt. Als Greta sie damals eingesperrt hatte, hätte sie nie ohne Manuels Zuspruch und Hilfe zu fliehen gewagt. Aber dann entdeckte sie vor dem Fenster einen schmalen Vorsprung. Sie könnte auf diesen klettern, überlegte sie, sich vorsichtig hinhocken, sich schließlich daran festhalten und sich vorsichtig herunterlassen. Dann müsste sie nicht sonderlich tief springen.
    Emilia schluckte rauh; ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen – nicht nur vor Furcht, sondern auch vor Hunger. Doch gerade das gab ihr Kraft und Mut. Sie warf einen letzten Blick auf die schlafende Frau, dann steckte sie den Kopf durch das Fenster.
    Wenig später fühlte sie, wie Blut über ihr Schienbein tropfte. Als sie die Wunde betastete, brannte sie so heftig, dass sie aufschrie. Doch sie erkannte rasch, dass dieser Schmerz sie nicht aufhalten würde. Die Verletzung war gottlob die einzige Blessur, die ihr der Sprung aus dem Fenster eingebracht hatte. Sämtliche Knochen waren heil geblieben, sie konnte mühelos auftreten.
    Sie drehte sich ein letztes Mal um, huschte dann durch den Hof. Sie hatte gedacht, dass diese Spelunke aus nur einem Haus bestand – doch nun erkannte sie, dass es viele kleine waren, die man windschief aneinandergebaut hatte. Mehrmals glaubte sie, endlich die rettende Straße erreicht zu haben, aber immer mündete ihr Weg aufs Neue in einer Sackgasse. Der Boden war glitschig, einmal stieß sie gegen einen harten Gegenstand, der achtlos weggeworfen worden war. Der neuerliche Schmerz trieb ihr Tränen in die Augen, doch es gelang ihr, einen Schmerzenslaut zu unterdrücken. Das Scheppern des Gegenstandes konnte sie allerdings nicht verhindern.
    »He! Wohin läufst du?« Die Stimme traf sie unvermittelt. Und sie stammte nicht von der schnarchenden Frau, sondern von einem Mann.
    Emilia rannte los. Dort hinten – war da nicht ein trüber Lichtschein, Laternen verheißend und auch die rettende Straße?
    »Das Mädchen! Das Mädchen haut ab!«
    Sie rannte schneller, kam dem Licht immer näher. Sie würden es doch nicht wagen, sie auf offener Straße festzuhalten, diese Schatten, die sich plötzlich hinter ihr auf dem Hof zusammenrotteten und binnen weniger Augenblicke ihre Verfolgung aufnahmen?
    Sie hastete weiter, erreichte endlich die Straße und blickte hektisch in die eine und die andere Richtung. Jenseits des schummrigen Lichts der Laterne erwartete sie nur Finsternis.
    Die Stimmen der Männer kamen näher. Ganz dicht waren sie ihr auf den Fersen. Emilia war noch nicht aus dem Lichtschein der Laterne getreten, als sie sie von allen Seiten einzukreisen begannen.

41. KAPITEL
    K athi Steiner roch an ihren Händen. Der Duft von frischem Brot haftete daran – und den liebte sie. Weitaus weniger liebte sie die Mühen, die es kostete, um es zu backen. Die letzten Tage waren mit nichts anderem gefüllt gewesen als damit: Zuerst wurde Mehl in große, hölzerne Tröge geschüttet, dann wurde der Vorteig bereitet – aus dem Rückstand vom letzten Teig, der mit Hefe langsam

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