Im Land der Feuerblume: Roman
Nach den letzten Stunden, in denen sie erst vor Jules Schule gewartet und dann Elisa, Emilia und Manuel empfangen hatten, hatte er vorerst genug davon.
Nach Hause konnte er auch nicht gehen – dort müsste er Resa begegnen. Hätte sie geweint, so hätte er sie vielleicht ertragen, hätte trotzig oder gereizt reagiert. Doch Resa wirkte kühl und gefasst.
Es machte ihm zu schaffen, dass er nicht wusste, ob sie ihre Beherrschung nur spielte oder tatsächlich nur wenig überrascht war, von ihm und Barbara zu erfahren. Und noch mehr machte ihm zu schaffen, dass er sich schuldig fühlte – zum ersten Mal seit langem.
Am Anfang seiner Ehe hatte er sich oft gefragt, wie er mit dem, was er Resa antat, leben konnte, aber sonderlich tief war diese Frage nie gegangen, hatte nie unerträglich schmerzhaft an ihm genagt. Irgendwann hatte er sich an seine Schuldgefühle gewöhnt und manchmal höchstens darum kämpfen müssen, sie Barbara auszureden.
Nun fühlte er sich schäbig, umso mehr, da er Resa vorgehalten hatte, Greta niedergeschlagen zu haben. Er wusste, dass das nicht stimmte. Er hatte zwar keine Ahnung, wer es getan hatte – aber Resa, so war er sich sicher, schied aus.
Ihr das sagen und sich entschuldigen konnte er allerdings nicht. Eigentlich konnte er gar nichts. Nicht arbeiten. Aber auch nicht allein sein. Seine Welt war ihm zu groß und gleichzeitig zu klein.
»Verfluchte Greta!«, rief er und fühlte sich noch schäbiger, weil er ihr die Schuld zuschob, anstatt sie selbst zu tragen. Er trat in die Erde; kleine Lehmbrocken flogen in die Luft. Er stellte sich vor, er würde auf sich selbst eintreten, würde sich unerbittlich bestrafen, um auf diese Weise wieder Frieden zu erlangen, und hob erneut den Fuß.
Doch plötzlich hielt er inne. Eben noch hatte ihn der würzige Geruch des Waldes eingehüllt – nun stieg ihm Rauch in die Nase. Für einen kurzen Moment war ihm dieser Geruch vertraut – erinnerte er doch an die Brandrodungen der ersten Jahre. Erst im zweiten Augenblick erfasste er die Bedrohung, die davon ausging, denn schließlich hatten sie seit Jahren nicht mehr brandgerodet.
Er lief aus dem Wald und hoffte zunächst, dass jemand lediglich zu viel geheizt hatte, doch als er die Rodungsgrenze erreichte, von der er die meisten Häuser der Siedlung überblicken konnte, schrie er entsetzt auf.
Sein erster Blick war zum Hof seiner Eltern gegangen, wo nichts Auffälliges zu sehen war. Der zweite aber richtete sich auf das Mielhahn-Haus – es wurde immer noch so genannt, obwohl Greta längst Suckow wie Cornelius hieß –, und nun erkannte er, woher die dichte Rauchwolke kam, die bereits bis zum Wald gezogen war.
»Mein Gott!«, stieß er aus.
Greta.
Sie hatte ihr Haus angezündet.
Keinen Augenblick kam ihm die Möglichkeit in den Sinn, dass es auch ein Unglück gewesen sein konnte.
Hilfesuchend blickte er in sämtliche Richtungen. Hatten die anderen den Rauch auch gerochen? Sollte er zum brennenden Haus laufen, um das Feuer einzudämmen, oder lieber zu den anderen Siedlern, um sie zu warnen?
Er rannte los, ohne eine Entscheidung gefällt zu haben.
»Es brennt!«, brüllte er aus vollem Hals. »Es brennt!«
Da entdeckte er Manuel am Seeweg.
»Manuel!« Der junge Mann schien ihn nicht zu bemerken. Poldi sah, dass er einen Eimer in den Händen trug, und erkannte sofort, dass der Versuch, mit so lächerlichen Mitteln das Feuer zu löschen, kläglich scheitern würde.
»Manuel!«, schrie er wieder. »Wissen die anderen schon Bescheid?«
Als er ihn endlich erreichte, sah der Junge ihn verstört an.
»Mutter …«, stammelte er. »Mutter wollte mit Greta reden. Und Emilia … Emilia ist doch auch dort.«
Er ließ Poldi stehen und stürmte weiter. Wieder drehte dieser sich unsicher um. Sollte er auf Hilfe warten? Aber wenn sie zu spät kam?
Schließlich war es die nackte Angst um Elisa, die ihn antrieb. Rasch hatte er Manuel eingeholt. Sie liefen so schnell, dass ihnen der Atem fehlte, um noch etwas sagen zu können. Dann hatten sie das Haus erreicht. Eine der Wände brannte bereits lichterloh, die anderen wirkten noch heil, aber gerade begannen die rötlichen Zungen am Dach zu lecken. Es würde nicht mehr lange dauern, und das Holzhaus stünde lichterloh in Flammen. Poldi wich unwillkürlich vor der Hitze zurück.
»Emilia!«, schrie Manuel.
Zunächst hörten sie nur Knistern und Knacken, und Poldi hatte Angst, dass sie viel zu spät kamen. Dann aber rief eine leise Stimme. »Manuel,
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