Im Land der Feuerblume: Roman
warum?
»Es geht ihr gut, sie wird sich wieder erholen«, sagte Annelie. »Aber wo … wo ist Cornelius?«
Das Getuschel erstarb. Obwohl Annelie immer noch mit gesenkter Stimme sprach, hatten alle ihre Frage gehört, und als Elisa sich umblickte, sah sie, wie gespannt die Siedler ihrer Antwort harrten.
Sie straffte den Rücken. »Er hat in Valparaíso zu tun. Er kommt vorerst nicht zurück«, bekundete sie knapp.
Entschlossen trat sie auf die Menschen zu, die nun endlich zurückwichen und ihr den Weg freigaben. Schweigen senkte sich über sie, nur Poldi lachte auf. »Hat er etwa sein verrücktes Weib verlassen?«, fragte er. »Das ist das Beste, was er tun konnte – auch wenn meine Mutter glauben wird, dass wir nun endgültig in Sodom und Gomorrha gelandet sind, wo Anstand und Sitten nichts gelten. Vor allem jetzt, nachdem Barbara und ich …«
Seine Worte rissen ab, als Magdalena missbilligend den Kopf schüttelte.
»Nun kommt«, ging Annelie rasch dazwischen. »Ihr müsst etwas essen, ihr seht hungrig aus. Ihr solltet auch …«
Sie verstummte. Aus den Augenwinkeln sah Elisa jemanden auf sich zustürzen, lautlos und unbemerkt von allen anderen. Sie sah weißen Stoff, der im Wind flatterte, dann hatte Greta sie schon am Arm gepackt. »Du Lügnerin!«, kreischte sie. »Du Lügnerin! Natürlich kommt Cornelius zurück! Zurück zu mir!«
Jule kam Greta nachgeeilt. »Nun bleib doch liegen!«, rief sie streng. »Deinem Kopf wird’s nicht besser gehen, wenn du als bleiches Nachtgespenst durch die Welt springst.«
Elisa starrte Greta entsetzt an. Ihre dünnen weißen Haare, zwischen denen an vielen Stellen blanke Kopfhaut klaffte, flogen wild durch die Luft – bezähmt nur von einem weißen Verband, den an einer Stelle ein dunkler Blutfleck besudelte. Sie trug nur ein dünnes Kleidchen, das vom Wind gehoben wurde und den Blick auf dürre, faltige und fleckige Beine preisgab.
»Du Lügnerin!«, zischte Greta wieder, und ihre Hände gruben sich schmerzhaft in Elisas Arm.
»Greta …«, stammelte diese.
»Mutter, was ist mit dir passiert?«, schrie Emilia entsetzt dazwischen.
Da endlich ließ Greta Elisa los, doch nur, um nun auf ihre Tochter zu stürzen. Ihr Blick flackerte. Jule schüttelte tadelnd den Kopf.
»Du Verräterin!«, schrie Greta heiser. »Davongelaufen bist du! Aber dir bring ich schon noch Gehorsam bei! Du kommst jetzt mit mir mit!«
»Greta …«, Elisas Stimme gewann an Festigkeit, als sie sich ihr in den Weg stellte. »Lass uns in Ruhe über alles reden. Und Emilia, bitte lass Emilia in Ruhe. Sie und Manuel werden heiraten, und …«
Greta drängte sich an ihr vorbei und hielt Emilia noch fester gepackt.
»Gleich platzt die Wunde auf«, warf Jule nüchtern ein.
»Mutter!«, rief Emilia klagend.
»Nie wirst du Manuel heiraten! Nicht, solange ich lebe!«
Elisa sah ein, dass sie unmöglich zu ihr durchdringen konnte, doch nun ging Manuel mit einem wütenden Aufschrei auf Greta los.
»Lass Emilia in Ruhe!«
»Nicht!« Eilig drängte sich Elisa dazwischen. »Nicht! Es hat jetzt keinen Sinn …«
Manuels Kiefer mahlten aufeinander. Es waren weniger Elisas Worte als Emilias flehentlicher Blick, der ihn dazu brachte, sich zurückzuhalten.
»Kommt mir nicht zu nahe!«, kreischte Greta, obwohl nun alle gebührenden Abstand wahrten. »Kommt mir nicht zu nahe!«
Jule verschränkte seelenruhig ihre Arme vor der Brust. »Gleich kippt sie wieder um«, sagte sie zu Annelie.
Greta hatte die Worte gehört, obwohl sie nicht sicher schien, wer sie gesagt hatte. Suchend schweifte ihr flackernder Blick über die Runde.
»Verfluchtes Pack!«, schrie sie. »Ich will nichts mit euch zu tun haben! Viktor hatte recht … er hatte so recht in seiner Meinung über euch! Verfluchtes Pack seid ihr, selbstsüchtig und gemein! Keiner von euch soll sich jemals wieder auf meinen Grund wagen. Und du, Emilia, du kommst jetzt mit!«
Emilia warf Manuel, der seine Hände zu Fäusten ballte, einen letzten beschwörenden Blick zu. Dann stolperte sie Greta hinterher, indes Manuel ihr hilflos nachstarrte.
»Sie wird ihr nichts tun«, versuchte Elisa, ihn zu trösten. »Emilia ist ihre Tochter. Sie wird sie höchstens einsperren, und …«
Greta ging so schnell, dass Emilia mehrmals ausrutschte und einmal sogar auf ihre Knie fiel.
»Verflucht!«, schrie Manuel.
»Bitte«, redete Elisa auf ihn ein. »Bitte, misch dich nicht ein! Lass mich das machen!«
»Aber …«
»Ich werde mit Greta reden! Ich
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