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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Flachsgarnspinnereien Arbeit finden. Doch in Wahrheit wurde jenes Fleckchen Land rasch zu klein für all die, die dort nach einer Zukunft suchten. Wir lebten mit drei Familien in einem engen Haus, und so gerecht die Arbeit auch verteilt wurde – so ungerecht der Lohn und das Essen.«
    »Und dann kam die Tuberkulose!«, warf erstmals Taddäus ein.
    »Zwei meiner Kinder habe ich durchgebracht«, Barbara Glöckner legte nun auch eine Hand auf die Schulter ihres Sohnes. »Zwei habe ich verloren.«
    Kurz wurde ihre Stimme brüchig, doch als sie fortfuhr, hatte sie die Tränen, die sich in ihren Augen sammelten, bereits fortgezwinkert – bekundend, dass sie zu jenem Menschenschlag gehörte, der lieber nach vorne blickt als zurück.
    »Eine meiner Schwägerinnen hat beschlossen, mit ihrer Familie nach Amerika zu gehen. Ein Nachbar brach bald danach nach Australien auf. ›An Seuchen und Hunger verrecken können wir auch anderswo‹, meinte er schlicht, ›aber dort müssen wir wenigstens nicht in die gleichen dummen Gesichter starren wie hier.‹«
    »Und ihr habt euch für Chile entschieden?« Christine hatte erstmals den Platz an Jakobs Seite verlassen. Das Misstrauen vor den Fremden war aus ihrem Gesicht gewichen und hatte Müdigkeit Platz gemacht. Sie wirkte ungewohnt ausgemergelt. Gern zog sie ihre Kinder, vor allem das Katherl, an den festen, großen Busen, doch der schien förmlich geschrumpft zu sein; selbst in Brusthöhe warf der Stoff ihres Kleides Falten.
    »Ja, wir haben uns für Chile entschieden«, bestätigte Barbara Glöckner, »wahrscheinlich von ähnlichen Versprechungen angelockt wie ihr: von der Aussicht auf reiches, fruchtbares Land. Aber schon in Corral erklärte sich niemand für uns zuständig. Während der Reise nach Melipulli ist unser Schiff fast untergegangen, und dort hat man uns, wie gesagt, ohne ausreichende Mittel an den See geschickt.«
    »Hier kommen eben nur die Zähen durch«, warf Jule ungeduldig ein. »Wir haben erleben müssen, wie unser Schiff in Flammen aufging.«
    Fast ein wenig stolz klang sie, als verhieße es Triumph, mit der noch größeren Katastrophe aufzuwarten.
    Wie weit ist es gekommen, ging es Elisa durch den Kopf, dass Elend und Torturen uns nicht erschrecken, sondern wir lediglich noch Schlimmeres entgegensetzen.
    »Nachdem wir also am See vorerst gescheitert sind, haben wir den Winter in Melipulli verbracht. Wahrscheinlich wären wir verhungert, hätte es nicht wenigstens Muscheln und Fisch vom Meer gegeben. Erschöpft und zermürbt waren wir – aufgerichtet nur von der Zusage, dass im Frühjahr Perez Rosales anreisen würde und uns diesmal mit ausreichend Werkzeug und Saatgut versorgen wollte. Wir haben auf ihn gewartet. Doch der Erste, der im Frühjahr kam, war Konrad Weber. Auf der Suche nach willfährigen Arbeitern hat er selbst den langen Weg in die Einöde nicht gescheut.«
    »Und er hat euch Hilfe angeboten!«, rief Fritz und lachte bitter auf. »Hat euch erklärt, dass die Regierung verlogen, Perez Rosales unfähig und ihr verloren wärt ohne ihn.«
    Barbara zuckte unsicher mit den Schultern. »Er hat uns auf seiner Hazienda Arbeit geboten, und es klang so verlockend.«
    Stille breitete sich aus; das Einzige, was zu hören war, war Jakobs Röcheln. Christine trat wieder zurück zu seiner Liege, setzte sich zu ihm und wischte ihm mit einem Tuch über die schweißbedeckte Stirn.
    »Und nun?«, fragte Jule forsch.
    »Nun sind wir klüger als damals. Wir haben manches über ihn herausgefunden. Konrad Weber ist ein skrupelloser Emporkömmling. In Valdivia, wo er einst lebte, hat er sich rasch Feinde gemacht und deswegen einem Spanier dieses Gebiet hier abgekauft – zu einem viel zu niedrigen Preis. Dass die Regierung sich einschaltete und es entgegen ihrer einstigen Versprechen den Einwanderern viel schwerer machte, eigenes Land zu erwerben, das ist auch die Schuld von Konrad und seinesgleichen. Er ist hierhergekommen, um reich zu werden, und an diesem Willen hält er fest: ohne Rücksichtnahme, ohne Skrupel und obendrein auf unsere Kosten. Und da dachten wir …«
    Nach der energischen Rede hielt Barbara Glöckner erstmals inne. Als sie von Konrad Weber sprach, hatte sich kurz empörtes Raunen erhoben, doch nun war es totenstill.
    »Was dachtet ihr?«, fragte Jule und klang diesmal nicht ganz so schroff.
    »Wir wagen es nicht allein, erneut zum Llanquihue-See aufzubrechen. Aber wir könnten es alle zusammen versuchen. Gewiss: Es läge ein ordentliches

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