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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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ewig feuchten Dickicht zu entkommen, vor allem aber den schlagenden Fäusten des Vaters, war fast schmerzhaft. Doch im gleichen Augenblick, da diese Hoffnung zaghaft erwachte, wurde diese auch schon wieder zerschlagen: Gewiss würden die Siedler ohne sie gehen. Gewiss würde niemand auf die Idee kommen, Lambert einzuweihen und ihn und Greta mitzunehmen.
    »Viktor!«
    Er schrak zusammen, die Stimme klang wie ein Bellen. Sein Vater war vorhin bei Konrad gewesen, um die Waffen zu reinigen, und er hatte diesen Augenblick genutzt, um sich fortzuschleichen. Doch offenbar war Lambert früher als erwartet heimgekehrt und hatte ihn in ihrer Baracke nicht vorgefunden.
    »Viktor!«
    Er fiel fast über die eigenen Füße, als er zum Haus rannte. Geistesgegenwärtig schnappte er sich einen Eimer; der war zwar leer, aber wenn er Glück hatte, würde es der Vater nicht bemerken und es keine Schläge setzen.
    Lambert stand vor der Tür. Da das fahle Licht auf seinen Rücken fiel, wirkte er wie ein riesiger schwarzer Schatten.
    »Wo bist du gewesen?«, kläffte er.
    »W-W-W-Wasser holen.«
    Viktor biss sich auf die Lippen. Der Vater hasste es, wenn er stotterte.
    »Ich habe dich aber nicht zum Wasserholen geschickt.«
    Lambert hob seine Hand, und Viktor glaubte schon, sie in seinem Gesicht zu spüren.
    Doch plötzlich stand neben dem furchteinflößenden Schatten ein kleiner, zarter.
    »Ich, Vater, ich habe ihn darum gebeten«, piepste Greta. »Um die Bohnen einzuweichen. Für morgen.«
    Viktor hielt die Luft an. Seit Ewigkeiten hatten sie keine Bohnen mehr gegessen; er konnte sich nicht erinnern, dass sie jemals zu den Essensrationen gehört hatten, die Konrad Weber ihnen zuteilte. Würde der Vater ihr dennoch glauben?
    Und noch etwas anderes ging ihm durch den Kopf. Wie war es möglich, dass Greta, die doch so viel dünner und kindlicher war als er, niemals stotterte, wenn sie sprach, und niemals ihre Furcht vor dem Vater zeigte?
    Viktor war ihr unendlich dankbar. Und zugleich war er neidisch auf sie, weil sie so gleichgültig sein konnte, so unnahbar, so … kalt. Weil sie dem Leben und den vielen, vielen Ängsten, die es mit sich brachte, nicht so gnadenlos ausgeliefert schien wie er.
    Lambert senkte seine Hand. Ein Grummeln kam aus seinem Mund, doch schließlich trat er zurück. Viktor spürte, wie er am ganzen Leib zitterte, auch dann noch, als Greta sich aus dem Türrahmen löste und zu ihm trat. Sie legte ihre Hände um seine Schultern, aber sie schmiegte ihren Leib nicht an seinen.
    »Es wird gut, es wird doch alles gut«, flüsterte sie.
    »W-w-w-w-ir können hier nicht bleiben, n-n-n-nicht bei ihm.«
    Nicht nur der Vater hasste es, wenn er stotterte. Er selbst verfluchte sich dafür.
    »Die a-a-a-anderen … sie w-w-w-wollen gehen …«
    »Es ist alles gut«, sagte Greta wieder und verstärkte den Druck ihrer Hände. Viktor war sich nicht sicher, ob ihre Berührung ihm angenehm war oder nicht, ob sie Trost spendete oder vielmehr neues Unbehagen schürte, ob er dankbar war, weil er sie hatte, oder verbittert, weil sie den Vater leichter ertrug.
    »Ach, Greta …«, seufzte er.
    »Es ist doch alles gut«, sagte sie leise.

14. KAPITEL
    F eierabend!«
    Cornelius wischte sich den Schweiß ab und richtete sich auf. Wie immer fuhr ein stechender Schmerz durch seinen Rücken, doch daran hatte er sich längst gewöhnt. Immerhin hatten sich an seinen Händen so viele Schwielen gebildet, dass sie gefühllos geworden waren. Die schmerzhaften Blasen, die ihm nicht nur die Arbeit schier unmöglich gemacht hatten, sondern auch, einen Löffel zu halten, gehörten der Vergangenheit an.
    Nachdem der Aufseher das Ende der Schicht verkündet hatte, stellte Cornelius sich in die Reihe der anderen Arbeiter, um den Tageslohn zu empfangen. Früher war das der Augenblick gewesen, in dem er so etwas wie Stolz empfunden hatte: Stolz, dass er sich als tüchtig genug erwies, um nicht misslich aufzufallen. Stolz, dass er eigenes Geld verdiente.
    Heute ging ihm nur durch den Sinn, dass erneut ein Tag vorübergegangen und Stunden quälend langsam verronnen waren, ohne dass er genau wusste, wofür er sich abmühte und für wen.
    Der Schatten des Aufsehers fiel auf ihn.
    »Sechs Reales«, verkündete dieser knapp.
    Cornelius hob müde den Kopf. »Sechs?«, fragte er. »Gestern waren es zehn.«
    Der Aufseher zuckte mit den Schultern. »Wenn du nicht zufrieden bist, dann such dir etwas anderes.«
    Cornelius nahm schweigend das Geld und ging. Zu oft

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