Im Land der Feuerblume: Roman
kurz.
»Ist er tot?«, schnaubte er. Es klang vorwurfsvoll, als habe Jakob ihm mit Absicht schaden wollen.
Niemand antwortete ihm. Sein Blick glitt auf die eingedrehten Füße.
»Um ihn zu ersetzen, müsst ihr doppelt arbeiten, nicht rumstehen!«, bellte er prompt.
Leise war Fritz an die Seite seiner Mutter getreten. »Du hast seine Beine auf dem Gewissen«, zischte er. »Du mit deinem nutzlosen Rumgeballer.«
Unwillkürlich hielt Elisa den Atem an.
Konrad maß Fritz eine Weile ausdruckslos; fast gemächlich nahm er dann das Gewehr von seinen Schultern, streichelte zärtlich darüber, als wäre es sein liebster Freund. »Nutzlos? Ach ja?«, fragte er höhnisch. Plötzlich fuhr ein Ruck durch ihn, und im nächsten Augenblick richtete er das Gewehr auf Fritz, so wie er es einst auf Poldi gerichtet hatte. Den hatte er damit eingeschüchtert, nicht aber dessen älteren Bruder.
Fritz lachte spöttisch. »Dann erschieß mich doch!«, forderte er Konrad auf. »Möchte nur wissen, wer dir dann deine verfluchten Araukarien fällt!«
Elisa hörte Christine angstvoll seufzen, doch sie machte keine Anstalten, den Sohn zur Räson zu bringen. Steif blieb sie stehen, griff auch dann nicht ein, als Poldi und Lukas sich an Fritz’ Seite stellten und Konrads Gewehr trotzten.
Atemzug um Atemzug verging; weder ließ Konrad das Gewehr sinken noch traten die jungen Männer zurück. Elisa konnte kaum hinsehen, spürte, wie die Angst in ihrem Bauch grummelte, ihre Kehle zuschnürte. Sie wusste nicht, woher die drei die Kraft nahmen, so unbewegt und ohne Zittern zu stehen; oder eigentlich wusste sie es schon, ahnte zumindest, dass die Verzweiflung die beste Lehrmeisterin ist und keine andere derart schnell aus Knaben Männern macht.
Er kann sie doch nicht totschießen!, fuhr es ihr durch den Kopf, und zugleich wartete sie jeden Augenblick darauf, den Schuss zu hören.
Stattdessen hob Lambert die Stimme. »Komm«, sagte er, so verdrießlich wie es ihm eigentümlich war, »komm … lass sie. Es lohnt sich nicht, sie wissen doch nicht, was sie tun und sagen.«
Langsam, unendlich langsam ließ Konrad sein Gewehr sinken. »Ohne mich seid ihr nichts!«, zischte er, ehe er sich abwandte. »Krepieren würdet ihr hier in diesem verfluchten Land.«
Elisa sah, wie Lambert seinen Arm beschwichtigend auf Konrads legte, und aus ihrer Panik wurde Ärger. Lambert war für Poldi, Lukas und Fritz gewiss nur eingetreten, um sich selbst zu schützen. Wenn noch mehr Männer ausfielen, würde Konrad womöglich auf die Idee kommen, dass er auch ihn zu den mühseligen Holzarbeiten abkommandieren konnte.
»Morgen macht ihr wieder wett, was ihr heute versäumt habt«, rief Konrad ihnen über seine Schultern zu, dann gingen sie davon. Auch Greta war verschwunden und hatte wohl die angespannte Lage genutzt, um sich vor den strengen Augen des Vaters unbemerkt in Sicherheit zu bringen.
Allmählich löste sich die Starre. Poldi und Lukas bückten sich und trugen den Vater, der immer noch in tiefer Ohnmacht lag, in die Baracke; Annelie stützte Christine, als sie ihnen folgte. Jule war bereits unauffällig gegangen – zu stolz, um den Triumph auszukosten, dass ihre Erzfeindin ihre Hilfe benötigt hatte.
Nur Fritz blieb stehen und rührte sich nicht. Elisas Blick traf den seinen, und sie fühlte etwas aufglimmen, was ihr selbst noch nie so deutlich vor Augen gestanden hatte wie in diesem Moment.
Es reichte.
So konnten sie nicht weitermachen. Dies war nicht das Leben, das sie sich vorgestellt und für das sie die gefährliche Reise angetreten hatten.
Fritz ballte die Fäuste, und unwillkürlich tat Elisa es ihm gleich.
Es musste sich etwas ändern, selbst wenn sie beim Versuch daran zugrunde gingen. Hier konnten sie auf keinen Fall länger bleiben.
Lange saßen sie am Abend beisammen, selbst dann noch, als Jakob längst eingeschlafen war und Dunkelheit die letzten Fäden des Dämmerlichts schluckte. Fritz ging unruhig auf und ab, Poldi machte das zugleich verwirrte wie trotzige Gesicht eines kleinen Kindes, nur Lukas verriet nicht, was er dachte und fühlte. Er setzte sich mit stoischem Gesichtsausdruck neben Elisa auf den Boden, die ihn vorsichtig von der Seite musterte. Von allen drei Steiner-Brüdern wurde sie aus ihm am wenigsten schlau. War er gelassener als die anderen, oder konnte er einfach nur besser verbergen, was in ihm vorging?
Auf dem Schiff war der freche Poldi ihre liebste Gesellschaft gewesen, und wenn es ans Arbeiten ging, verließ
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