Im Land der Freien
Hölle zurennt. Gottesmann Swaggart hat im Lauf seiner langen Karriere keinen menschlichen Körperteil übersehen, hat jeden einzelnen mündlich und schriftlich in den Dreck gezogen und ihn mit dem unabwaschbaren Gift von Schuld und Sünde besudelt. Jeden, der nicht lebte wie er – genauer: wie er angeblich lebte –, schickte er zum Teufel: die Juden, die Rockmusiker, die Homosexuellen, die Masturbanten, die Tänzer, die Ehebrecher, die Kommunisten, die Anhänger Darwins, die Abtreiber – alle Gottlosen eben. Und Gott war weiß. Und Swaggart war sein Prophet.
Bis zum 17. Oktober 1987 schien nichts seine himmelstürmende Karriere – gefüllte Stadien weltweit, Fernsehstationen weltweit, Opferstöcke – sprich: Bankkonten – weltweit – aufzuhalten. Das war der Tag, an dem ein Konkurrenzprediger den Heiligen in einem schmierigen Motel am Rande von New Orleans mit einer Hure ertappte. Die Story ging durch die Weltpresse. Mit diebischer Freude und grandioser Geschmacklosigkeit hat Penthouse – selbst betroffen von Swaggarts Tiraden gegen Pornographie – die Lieblingspositionen des Predigers mit der Prostituierten Debra M. nachgestellt, fotografiert und veröffentlicht. Dass Jimmy auch öfters als geübter Onanist vorbeischaute, sollte nicht mehr überraschen. Ansonsten war – Originalton Debra – doggy style angesagt: von hinten.
Mit dem nächsten Greyhound fahre ich nach Baton Rouge, zwei Busstunden vom Travel Inn , dem infamen Puffhotel, entfernt. Seit dreißig Jahren steht in der Hauptstadt Louisianas die Zentrale der Jimmy Swaggart Ministries . Der Mann predigt noch immer. Obwohl er wieder hinter einer Hure kniete und wieder dabei erwischt wurde.
Sonntags, kurz vor zehn, betrete ich sein hauseigenes, rundes und riesiges Family Worship Center . Wie jede Woche wird hier um diese Zeit ein Gottesdienst, sagen wir, ein Swaggart-Spektakel, abgefeiert. Im Bookstore gibt es christliche Kaffeetassen, Einlegbildchen für Gesangbücher, bunte T-Shirts, Baseballmützen und des Meisters gerade letzterschienenes Werk zur endgültigen Bibelexegese.
Das alles ist ödes Vorspiel. Schlag zehn zieht der Chor in Form von 32 erwachsenen Engelein im Nachthemd und mit steifer Halskrause auf die Altarbühne, greifen sieben Musiker in die Instrumente, stimmen sich vier Vorsänger ein, laufen fünf Fernsehkameras, kündigt Donnie, der Sohnemann, Jimmy, seinen Vater und Alleinbesitzer des Zirkus, an. Und Jimmy – groß, blond, energisch – reißt uns alle hin mit seiner vom ewiglichen Lobsingen des Herrn velourssanft geölten Stimme, jubelt hinauf in den strahlend blauen Himmel Louisianas: » I came to praise the Lord .«
Ein starker Typ, einer, der nicht loslässt. Seit er öffentlich um Verzeihung für seine Ehebrüche und onanistischen Ausrutscher gewimmert hat, scheint sich sein Multikonzern (Kirche, Bibelschule, Radio, Fernsehen, Verlag, Immobilien) wieder zu erholen. Langsam. Das kontinuierliche Eintreffen praller Geldsäcke – Spendengelder – lässt noch auf sich warten. Der Schock der christlichen Schafe über Jimmy, ihren hurenden Hirten, sitzt.
Wie belanglos, Swaggart ist ein Weltwunder,
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ein exorbitantes Showtalent, ein gottbegnadeter Scheinheiliger, der jeden Cent wert ist, den er abzockt. Er kennt die Regeln des Showbiz und er spielt sie perfekt. Wer auf ihn hereinfällt, dem ist hienieden nicht mehr zu helfen.
Nach dem Halleluja-Jubel, mit dem der Herr sieben Strophen lang bejubelt und belobt wurde, ist Zeit für Erlösung. Swaggart bittet all diejenigen, die Jesus von Drogen und Alkohol erlöst hat, nach vorn zu kommen. Und alle ehemaligen Junkies und Säufer erheben sich von ihren Bänken, schreiten ergriffen, schniefend und jaulend Richtung Altar, wo sie Louisianas erster Handaufleger mit seinen Hiwis erwartet, um ihnen das Haupt zu bedecken: das eindeutige Zeichen, dass der Heilige Geist augenblicklich herniederkommt. Während nun die einen noch schniefen und jaulen, sind die anderen schon einen Schritt weiter, keuchen und lallen und reden in Zungen, blubbern und glucksen vor Glück und Dankbarkeit. Hat jeder sich hingegeben, sollen sich alle umdrehen: hin zu denen, die – deprimiert auf ihren Sitzen kauernd – der Herr noch nicht erlöst hat. Darunter fallen auch die Fresssüchtigen, denn wahre Fleischtonnen tummeln sich unter uns. Und alle sollen laut klatschen (» give Jesus a hand «), damit der Herr sich auch wirklich aller Unerlösten annimmt.
Und wieder
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