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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Worte zu fassen, nicht Wirklichkeit werden.
     
    Am nächsten Tag war Veracruz noch immer Veracruz, die Sonne prallte auf das Glas der Dachluke, und vor dem Haus sang Naña, die Mulattin, die auf der Plaza messerscharfe Chilis und honigsüße Liebkosungen verkaufte. Benito musste seinen Capitán in der Garnison aufsuchen, der ihn des unerlaubten Rittes wegen zusammenstauchte. Hinterher gab er ihm jedoch einen Becher dunklen Tequila und befahl ihm, sich zu setzen, er habe ihm etwas zu erzählen. Wenn die Lage gestern noch schwarz ausgesehen habe, so sei sie heute graurot wie der Morgen über dem Meer. Santa Annas Heer stehe vor dem Pass Angostura, und General Taylor kämpfe nur noch mit halber Truppenstärke, da der Rest zur Landung an der Küste gebraucht werde.
    »Beim Satan, es gibt Schlachten, die kann nicht mal ein größenwahnsinniges Einbein verlieren.« Die Bemerkung hätte den Capitán Kopf und Kragen kosten können, aber die Hoffnung machte ihn redselig, und zudem konnte er Benito trauen. Einem indianischen Laufburschen, der einen kreolischen Offizier diffamierte, hätte niemand ein Wort geglaubt.
    »Und wenn er siegt – werden die Amerikaner dann auf die Landung verzichten?«
    »Schon möglich«, erwiderte der Capitán. »Aber selbst wenn sie landen, werden sie Veracruz umgehen. Die Angst vor dem Gelbfieber treibt sie schneller ins Landesinnere, als wir zuschauen können.«
    Ins Landesinnere. Das bedeutete nach Mexiko-Stadt. In die Hauptstadt, in der Benito auf die Universität gehen wollte, doch im Augenblick wollte er nirgendwo hingehen, nur hierbleiben und erleichtert Atem schöpfen.
    »Für alle Fälle verdichten wir unser Nachrichtennetz«, sagte Capitán Ferrante. »Und einer der Kerle, die ich dabeihaben will, bist du. Fang nicht erst an, dich zu sträuben. Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, du hältst dir ein exquisites Liebchen, was sich ein Amarantfresser wie du kaum leisten kann. Du brauchst Geld, und ich gebe dir welches.« Er schob einen kleinen Haufen Münzen zu ihm hinüber, der kurzfristig Benitos Probleme löste. »Du bekommst Bescheid, wenn du gebraucht wirst. Ein Gaul steht jederzeit bereit.«
    Wenn es wahr ist, beschlich ihn auf dem Heimweg ein Gedanke, wenn irgendein Schlangengott ein Einsehen hat, muss ich ein Opfer bringen. Wenn Veracruz morgen noch Veracruz ist, denke ich darüber nach.
    Daheim erwartete ihn wieder einmal ein Besucher, diesmal jedoch ein Mann, der eine Visitenkarte abgegeben hatte und Doña Esmé ins Schwärmen brachte. »Ein blondes Prinzlein! Mit einer Mondlichthaut wie Ihr verbotenes Täubchen.« Das blonde Prinzlein mit der Mondlichthaut war Stefan Hartmann.
    Er war ein schüchterner, geradezu qualvoll höflicher Mann, der um jeden Satz Umschweife machte. Der Sohn seines Brotherrn habe eine Leidenschaft für Vollblutpferde, erklärte er, er besitze zwei Stuten und brauche jemanden, der sie ihm bewege. Darüber hinaus suche er jemanden, der ihm Unterricht im Deutschen erteile. Dass ein vornehmer englischer Erbsohn einen zerlumpten Nahua einstellte, um sich im Deutschen unterrichten zu lassen, war dermaßen abwegig, dass Benito auflachte. Stefan Hartmann aber blieb dabei: Wenn Benito einverstanden sei, könne er morgen bei den Temperleys vorsprechen. »Und was Ihren Lohn betrifft …« Die Summe, die er ihm nannte, überstieg bei weitem das, was Benito in der Tuchhalle und bei Helen verdient hatte.
    Es war, als hätte tatsächlich eine obskure Macht, die Katharina Schlangengott nannte, beschlossen, ihm seine Lasten von den Schultern zu streichen. Aber dazu hatte kein Gott und noch weniger der Mann, der vor ihm stand, einen Grund. »Was verlangen Sie dafür?«, fragte Benito.
    »Das können Sie sich denken, nicht wahr?«
    Auf einmal konnte er es. Seine Hand fuhr an seine Schläfe, wo eine Vene zu klopfen begann. Hatte er nicht gelobt, ein Opfer zu bringen? Und wir Blut saufenden Azteken opfern unseren Götzen Menschen. Dieser sanfte Menschenfreund glaubt das nicht weniger als der rassistische Onkel. »Was verlangen Sie?«, wiederholte er tonlos. Das Blut in seiner Vene pulsierte gegen die Haut.
    »Meine Base.« Der Menschenfreund sah zu Boden. »Ich möchte, dass Sie meine Base nicht wiedersehen.«
    »Und dass Sie mich kaufen können, steht für Sie natürlich fest.«
    »Nein«, erwiderte Stefan Hartmann zum ersten Mal ohne Umschweife. »Für mich steht fest, dass Sie ein anständiger Mann sind. Einer, den man unter anderen Umständen mit Freuden in seiner

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