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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Moment erfolgte eine tosende Detonation, und über den Himmel schoss eine Sternschnuppe mit brandhellem Schweif. Sternschnuppen fielen nicht am Tage. Inmitten des Einschlags, der folgte, vernahm Marthe das Geschrei von Tauben. Das Gebäude, in das die Sternschnuppe hineingefahren war, fing im Handumdrehen Feuer. Erst schossen einzelne Lohen über den Dächern auf, dann vereinigten sie sich zur Feuersbrunst, die den Himmel grellrot färbte. »Peter«, hörte Marthe sich flüstern. Als sie losrannte, sprang Hermann zur Seite. Mit blinder Sicherheit wusste sie, dass das brennende Gebäude die Brauerei ihres Mannes war.
    Für diesen Mann hatte sie alles gegeben. Um ihn haben zu können, war sie zur Verräterin geworden und hatte das Liebste, das sie besaß, als Preis gesetzt. Ihrer beider Träume waren zerbrochen, aber sie hatten dennoch ihr Leben geteilt. Wenn es Peter nicht mehr gab, wer schleppte mit ihr die Last bis zum Ende? Ihr Bruder war ein Schilfhalm im Wind, es war allein Peter, auf den sie sich verlassen konnte. So wahnwitzig es ihr vorkam, glaubte Marthe in diesem Augenblick zu begreifen, was Liebe war: dass schon alles vorbei ist und ich immer noch zu dir gehöre. Dass ich zu dir muss, was immer geschah und geschieht.
    Auf das Gelände der Brauerei drang sie vor, doch vor dem Sudhaus war ihr Weg zu Ende. Hatte sie geglaubt, dass nur Todesmut dazu gehörte, so hatte sie sich geirrt. Der Rauch, der aus dem Gebäude wallte, wurde zur Wand, die sie mit all ihrer Willenskraft nicht durchdringen konnte. Die hölzernen Bauten der Anlage brannten bereits lichterloh. Auch wenn die beißenden Schwaden ihr die Sicht nahmen, kam sie nicht umhin zu erkennen, dass, wer immer auch darin war, nicht überleben konnte.
    Aber das steinerne Hauptgebäude, das Brauhaus und die Geschäftsräume! Der Komplex befand sich hinter dem Wall aus Rauch, und der Dachstuhl stand in Flammen, aber dennoch musste ein Entkommen möglich sein. Sie versuchte einen Schritt zu gehen, musste jedoch hustend zurückweichen und fiel auf Hände und Knie. Mühsam kämpfte sie sich hoch und floh rückwärts, gedrängt von wallenden Schwaden. Peter, wollte sie schreien, doch ihre wunde Kehle brachte keinen Laut hervor.
    Stattdessen rief jemand ihren Namen. Nicht sehr laut, aber unverkennbar. »Marthe!«
    Mit Getöse brach der Dachstuhl des Brauhauses ein. War sie schon jenseits von Gut und Böse, dass sie glaubte die Stimme ihres Mannes zu hören, der von brennenden Balken erschlagen wurde? Mit letzter Kraft drehte sie sich um. Vom Ende der Straße kamen ihr zwei Menschen entgegengerannt. Sie machten beide noch einen Schritt, dann erstarrten sie. Peter und Lise.
    »Marthe«, sagte Peter noch einmal, ehe seine Stimme brach. Er blickte sie nicht mehr an, sondern über sie hinweg auf das Inferno, das aus seiner Brauerei geworden war. Marthe brauchte nichts mehr zu sehen, keine hastig gelösten Hände, keinen verstohlenen Blick. Sie wusste alles, und unerklärlich war nur, dass sie es nicht seit Jahren gewusst hatte.
    Hatte man sie nicht von klein auf gelehrt, dass Männer keine Treue kannten? Hatte nicht die Mutter zu ihr noch in der Heimat gesagt: Du gehörst nicht zu den Mädchen, die einen Mann fesseln können? Hatte sie es nicht jedem Mann, der herumlief, zugetraut, ihrem Vater, ihren Vettern, sogar ihrem Bruder? Warum nicht Peter, obwohl sie doch wusste, dass er bei ihr seinen Trieb nicht befriedigt bekam?
    Weil das, was zwischen uns war, anders ist. Größer. Heiliger.
    Das Lachen über sich selbst zerriss ihr fast die Kehle.
    Ich dumme Gans habe daran geglaubt: Er wollte eine, die er nicht haben konnte, und ich wollte ihn, den ich nicht haben konnte, wir waren tapfer und haben es zusammen ertragen. So wie das Brauhaus stürzte Marthes Luftschloss zusammen. Sie hatte wahrhaftig geglaubt, der Mann, der sie nie bei der Liebe angeschaut hatte, sei ihr treu, weil sie beide demselben Verlust treu waren. Es war, als stürbe alles in einem einzigen Augenblick. Ihre Illusion, ihre Ehe, Peter. Und im nächsten Augenblick, während eine Detonation ihr die Ohren taub schlug, fiel ihr ein, was ihr blieb. Das Wichtigste. Katharina.
    Sie würde Katharina nehmen und aus dem Inferno fortgehen, fort von Betrug und Verrat, von Peter, der sich nackt auf Lise wälzte, von Wilden, die nach ihrer Tochter griffen, von Seuchen, die Kinder töteten, und von Päckchen auf dem Malecon. Warum hatte sie es nicht längst getan? Damit Katharina ein Heim hat, den Hort der Familie,

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