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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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schreckliche Kälte aus ihr herauswärmte. Da es den blühenden Strauch nicht mehr gab und er weder Stefan noch Jo als Boten missbrauchen wollte, vereinbarten sie, einander an jedem Montag bei den Ruinen der Brauerei zu treffen. Es war riskant, so nah bei der Siedlung zusammenzukommen, aber Benito ließ nichts anderes zu.
    »Diese Stadt ist von Soldaten besetzt, denen man seit Monaten eintrichtert, wir seien schuld daran, dass sie Hunger haben, dass sie von ihren Frauen getrennt sind, dass sie Angst vor dem Tod ausstehen. Was glaubst du, was die mit meinem schönen Mädchen machen, wenn es ihnen in die Finger fällt? Nein, Ichtaca, reiß nicht deinen großen Mund auf und versuche nicht, mein Verbot zu missachten. Du bist jetzt meine Verlobte, und du handelst dir mächtigen Ärger ein, wenn du mir nicht gehorchst.«
    Ihm entgegenzulaufen war, als würde sie vom Tod zurück ins Leben laufen. »Luise und Sievert sind tot«, brach es aus ihr heraus. »Die arme Luise, sie war so verliebt und hatte Angst, sie könnte aus ihrem Brautkleid platzen, und jetzt ist sie einfach nicht mehr da. Ich fand den Ichsager furchtbar albern, aber auf einmal tut er mir unsäglich leid.«
    »Mir auch«, sagte Benito und wiegte sie. »Und deine Tante und dein Onkel tun mir unsäglich leid.«
    Bei ihm konnte sie schwach sein und ihren Schmerz aus sich herausweinen, von ihm bekam sie Kraft, um ihrer Familie eine Stütze zu sein. Sie half ihrer Mutter, Waren für den Schwarzmarkt auszuwählen, sie stand stundenlang in sengender Hitze, um ein Silbertablett loszuwerden, sie kannte bald jeden Winkel, in dem sich Fisch für des Vaters Labskaus erhandeln ließ. Wenn die Mutter ihr auftrug, Kartoffeln zu kaufen, und ein Händler ihr billige Kochbananen anbot, kaufte sie stattdessen diese und erklärte der Mutter in ihr Geschimpfe: »Zumindest werden so alle pappsatt.«
    Terrinenweise schleppte sie Sannes Eintöpfe hinüber zu Dörte und redete der Tante unermüdlich zu: »Du brauchst Kraft, du musst doch kämpfen – für das Kindchen, das in dir lebt.« Dass vom Lieben tatsächlich Kinder in Frauenbäuchen wuchsen, fand sie unglaublich und wundervoll. Wenn sie nicht einschlafen konnte, stellte sie sich vor, wie über die Trümmer der Stadt, unter denen die Toten lagen, Scharen von Frauen mit dicken Bäuchen liefen.
    Sie tröstete Jo, die sich schuldig fühlte, weil sie und nicht Luise überlebt hatte. »Du bist ein Segen«, sagte Onkel Christoph zu ihr. »Wir wissen alle nicht mehr, was wir ohne dich täten.«
    Die Männer der Familie hatten ihr Lebenswerk verloren. Selbst ihr unerschütterlicher Vater schien ratlos in eine Zukunft zu starren, von der er nichts Gutes erwartete. Zuweilen wunderte sich Katharina, dass sie selbst sich nicht fürchtete. Die Stadt war von Soldaten besetzt, sie trug geflickte Kleider, aß mit Wasser bereitete Grütze und dachte: Es wird schon irgendwie weitergehen. Ihr Vertrauen ins Leben war in diesem Frühling grenzenlos.
    Dass Lise fehlte, fiel ihr erst nach Wochen auf. Zur allgemeinen Verblüffung hatte das Kindermädchen sich ein kleines Vermögen erspart, mit dem es zurück in die Heimat wollte. Aus der besetzten Stadt gab es keine Reisemöglichkeit, doch Lise nahm sich ein Zimmer im Hafen, um vor Ort zu sein, sobald wieder Schiffspassagen verkauft würden. Gewiss hatte sie Angst, man würde ihr, wenn sie in der Siedlung bliebe, ihr Geld abschwatzen.
    Katharina hatte zu der steifen Lise nie eine Bindung aufgebaut, doch für ihre Mutter tat es ihr leid. Sicher fühlte sie sich betrogen – schließlich hatte sie Lise wie eine Verwandte behandelt und hätte erwarten dürfen, dass diese nicht wie eine Ratte das sinkende Schiff verließ. »Bitte nimm dir das mit der Lise nicht zu Herzen«, sagte Katharina. »Du hast sie nicht nötig. Wir haben uns.«
    Erstaunt blickte die Mutter von ihrer Flickarbeit auf. »Ich bin froh, dass sie weg ist«, entgegnete sie. »Aber weißt du, was ich mir zu Herzen nehme?«
    Katharina, die in einer Suppe aus gehäckselten Speiseabfällen rührte, schüttelte den Kopf.
    »Dass du ein Leben führen musst, wie es in der Heimat nicht einmal eine Bauernmagd täte. Ich wollte das Beste für dich, Kathi.«
    »Ich habe das Beste«, rief Katharina und schlang die Arme um die Mutter. »Mir macht es nichts aus, so zu leben, wirklich nicht.«
    Die Mutter sah auf, und ihre Blicke trafen sich. »Mir auch nicht«, bekannte sie. »Es sind die Männer, denen es viel ausmacht, nicht wahr? Offenbar

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