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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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schreiben: Ich bin Katharina Lutenburg aus Hamburg, mich gehen Mexiko und sein Krieg nichts an.« Er presste die Lippen zusammen, doch das Zittern brachte er nicht zum Stillstand.
    Sie streichelte ihn. »Ich schwöre dir, es kommt nie wieder so weit. Von jetzt an bin ich vernünftig – und dankbar, weil ich ein solches Mordsglück hatte.«
    »Und ich erst«, sagte er. »Ich sollte der Jungfrau von Guadelupe eine Altardecke stiften, weil die beiden Feiglinge geflitzt sind, statt mich wegen Waffenbesitzes zu verhaften.«
    Katharina vernahm ihren Herzschlag. »Ist es denn verboten, Waffen zu haben?«, fragte sie und kam sich entsetzlich töricht vor.
    Benito lächelte böse. »Aber nicht doch, Schätzchen. Die Herren Besatzer hätten sicher gern, dass wir alle eine bekommen.«
    »Und wenn sie dich verhaftet hätten? Würden sie dich auspeitschen wie die Männer auf dem Zócalo?« Sie presste ihr Gesicht an seinen Rücken und kniff die Augen zu.
    »Das glaube ich kaum«, sagte er. »Mit solchem Firlefanz halten sie sich nicht auf. Sie würden mich hängen.«
    Er hatte nie zuvor ein Wort so hart ausgesprochen wie dieses. Sie sah seinen Kehlkopf zucken, als würde er daran würgen, und erst nach einer Pause fügte er hinzu: »Wenn du dich starrköpfig weigerst, Angst um dich selbst zu haben, begreife wenigstens um meinetwillen, dass du in einem Land im Kriegszustand lebst.«
    Heftig zog sie ihn an sich, und endlich gab er nach und nahm sie wieder in die Arme. Für den Abgrund von Furcht, den er um ihretwillen ausgestanden hatte, liebte sie ihn mehr als je. Ich werde es dir nie vergessen, mein Liebster. Wenn irgendwer dir ein Haar krümmen will, muss er erst an Katharina Lutenburg vorbei.
    Er nahm sie gierig und fordernd, es löschte für kurze Zeit das Bild der Pistole aus, und am Ende schliefen sie beide vor Erschöpfung ein. Als sie erwachten, war vor der Dachluke die Nacht aufgezogen. Benito erging sich in Selbstvorwürfen, weil er ihre Eltern solcher Sorge ausgesetzt hatte, und schimpfte noch, als sie längst ihre Kleider in Ordnung gebracht hatten und auf dem Weg in die Siedlung waren.
    Katharina berührte seine Schulter. »Kannst du dich jetzt bitte beruhigen? Es ist meine Schuld genau wie deine.«
    »Dass ich mich auf dich nicht verlassen darf, sollte ich mittlerweile wohl wissen«, knurrte er.
    »Doch, das darfst du von jetzt an. Ich habe meine Lektion gelernt.« Sie versicherte sich, dass die Straße leer war, ehe sie ihn küsste. »Und was meine Eltern betrifft, die stecken viel zu tief in ihrem Kummer, um zu bemerken, was ich treibe.«
    »Umso mehr musst du selbst auf dich achten«, sagte er. »Und deiner verrückten Base, die in ihrem Bibelkreis die Menschheit rettet, musst du erzählen, was dir zugestoßen ist, damit sie zur Vernunft kommt. Versprichst du mir das? Andernfalls bewerbe ich mich bei euch um eine Stellung als Kindermädchen.«
    »Ach, bitte tu das!« Auf der Ruine, die noch immer nach Rauch stank, lachte sie ihm ins Ohr und küsste die kleine Grube zwischen Hals und Kiefer. »Ich wäre gern so geduldig und tapfer wie du, aber mir fällt das Warten so schwer …«
    »So geduldig und tapfer wie
ich?
« Er lachte laut auf. »Vielleicht solltest du mir mal zuschauen, wie ich geduldig und tapfer des Nachts durch mein Zimmer stampfe. Manchmal denke ich, ich sollte mich anketten, damit ich nicht aus dem Fenster steige, durch die Stadt laufe und ein schönes Mädchen entführe, das Katharina-Lutenburg-bekommt-alles-was-sie-will heißt.«
    »Entführ mich. Ich gehe mit dir, wohin du willst.«
    Er schüttelte den Kopf und löste sich. »Du würdest weder dir noch mir verzeihen, dass wir deiner Familie einen solchen Schlag versetzt haben, als sie schon am Boden lag.«
    Dass er damit recht hatte, begriff sie, als sie heimkam und die Siedlung wieder einmal in Auflösung fand. Ihre Familie brauchte sie. Sie war dem Schicksal, das sie getroffen hatte, nicht gewachsen. Nicht nur Katharina war an diesem Tag überfallen worden, sondern auch Tante Dörte.
    Zum ersten Mal hatte sie sich aus dem Haus gewagt, um auf den katholischen Friedhof zu gehen, wo ihre Kinder begraben lagen. Von der Mutter hatte sie sich ein paar Centavos für Blumen geborgt, und um dieser lachhaften Summe willen waren drei Männer über sie hergefallen. Keine Soldaten der Besatzung, sondern Mexikaner.
Indios.
    Tante Dörte hatte sich nicht gewehrt. Sie hatte ihnen sowohl das Geld als auch ihren Trauring ausgehändigt, und die Männer waren

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