Im Land der gefiederten Schlange
beschleunigten sich, und das Blut begann ihr in den Ohren zu rauschen. Sie glaubte ein Lachen zu hören und drehte sich im Laufen um. Auf den Wangen spürte sie den Atem der beiden Soldaten, die ihr auf den Fersen waren und in einer Sprache, die Englisch sein mochte, etwas riefen.
Ihre Gesichter sah sie nur einen Herzschlag lang. Helle Gesichter, das eine übersät von Sommersprossen. Ehe sie sich besann, wurde sie an den Armen gepackt. Es tat so weh, dass sie schrie. Der größere der beiden lachte, bog ihr den Rücken durch und stieß sie zu Boden. Katharina war kräftig und vom Raufen mit den Vettern wehrhaft, aber sie hatte keine Erfahrung mit Gewalt. Der Kleinere hockte hinter ihr und presste ihr den Kopf aufs Pflaster, der Größere warf sich auf sie, seine Beine schwer auf ihren Schenkeln, und blies ihr seinen Atem ins Gesicht. Als sie versuchte sich zur Seite zu drehen, weil ihr übel wurde, riss er sie am Haar zurück und stopfte ihr ein Tuch in den Mund.
Es war ein Glück, das jeder Beschreibung spottete, dass Benito an diesem Tag pünktlich das Haus der Temperleys verließ, dass er durch diese Gasse kam und dass er schneller als ein Blitzstrahl reagierte. Katharina, vor deren Augen sich alles drehte, erkannte seine Stimme, die die Kerle auf Englisch anbrüllte, sofort. Als die sich umdrehten, gelang es ihr, den Kopf zu heben. Sie sah nur zwei Dinge – Benitos Gesicht und das glänzende Silber der Pistole. Gleich darauf fiel ihr der Kopf wieder nieder. Die Männer sprangen auf und rannten davon.
Im Nu war er bei ihr, zog ihren Kopf auf seine Schenkel und riss ihr das Tuch aus dem Mund. Sie tat alles gleichzeitig, würgen, spucken, schluchzen, den Schrecken, der ihren Körper erschütterte, aus sich heraustreiben. Er ließ ihr nicht viel Zeit. Sobald das Würgen weniger wurde, zerrte er sie grob auf die Füße. »Weg hier«, raunte er ihr zu und rannte mit ihr los.
Wieder einmal liefen sie quer durch die Stadt. Erst als der Fischgeruch des Hafens und die Schreie der Möwen die Luft erfüllten, erlaubte er ihr, den Schritt zu verlangsamen. Sie gingen zu seinem Haus, wo wie üblich Doña Esmé sie mit bösen Blicken bedachte, doch diesmal schenkte Benito, der sonst mit der Alten geradezu flirtete, ihr kein Wort. Unsanft drängte er Katharina die Treppen hinauf zu seinem Zimmer, schob sie hinein und stieß sie aufs Bett. Kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen, musste sie noch einmal weinen, und diesmal ließ er sie.
Sooft sie sonst weinte, hielt er sie in den Armen, liebkoste und wiegte sie, aber heute rührte er sie nicht an. Immerhin brachte er ihr vom Waschtisch einen Becher Wasser. Sie versuchte ihn zu sich zu ziehen, doch er entwand sich und blieb stehen.
»Benito …« Sie wischte die Tränen fort. Seine Miene war undurchdringlich. Nur die Augen blitzten. »Benito, bitte sag mir, was du denkst!«
»Willst du das wirklich?« Er sandte ihr einen funkelnden Blick. »Ich denke, ich sollte dir wie dem dummen Gör, als das du dich betragen hast, den Hintern versohlen. Ein Kerl, der Manns genug wäre, täte das ohne Frage.«
»Du bist Manns genug!«, rief sie. »Dazu brauchst du kein Mädchen zu schlagen, das ist schließlich keine Heldentat. Du hast mich gerettet, Benito. Du hast diese Kerle in die Flucht gejagt.«
Er ließ zu, dass sie seine Hüften umschlang, blieb jedoch reglos stehen. »Und wenn sie nicht geflohen wären?«
Die Erinnerung kehrte zurück, das Bild der Pistole, die in der Sonne blitzte. Wären die Männer nicht geflohen, so hätte er auf sie schießen müssen, und so, wie er vor ihr stand, glaubte sie zu wissen: Er hätte es getan.
Sie strich ihm den Rücken hinauf, den steinhart gespannten Muskel. »Verzeih mir«, murmelte sie. »Ich hatte Sehnsucht nach dir.«
»Darum geht es doch nicht!« Durch seinen Leib rann ein Beben. »Ich möchte nicht einmal daran denken, was diese beiden mit dir getan hätten. Habe ich es dir nicht gesagt? Diese Männer hatten seit Monaten keine Frauen, und wenn Kameraden neben ihnen gestorben sind, hat man ihnen eingetrichtert: Das waren die dreckigen Mexikaner. Los, rein mit euch in ihre dreckige Stadt, und holt euch ihre Weiber.«
»Benito, Liebster.« Sie packte ihn fester, um das Beben zu lindern, richtete aber nichts aus.
»Ach, ich vergaß«, rief er, »ihr seid ja keine Mexikaner. Das wirst du den Nordamerikanern aber sagen müssen, meine Schöne. Am besten, du lässt dir von deiner Freundin Georgia auf Englisch ein Schild
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