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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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beherrschen Männer nur Boote in vollen Segeln, und sobald es Lecks oder Flauten gibt, verzweifeln sie. Dann müssen wir Frauen rudern, bis das Boot wieder flott ist und die Männer es uns wieder abnehmen.«
    Der Vergleich war so treffend, dass Katharina lachen musste, und ihre Mutter lächelte mit. Am Abend sagte sie zu Benito: »Heute liebe ich dich noch ein bisschen mehr als gestern.«
    »Und wofür verdiene ich das? Dafür, dass ich mir seit Tagen nicht den Bart geschoren habe?«
    »Dafür ganz sicher nicht, du Stachelschwein. Aber dafür, dass dich kein Boot mit schlaffen Segeln schreckt. Bei dir wüsste ich, du ruderst weiter, selbst wenn uns im Sturm die Masten brechen.«
    Er senkte seinen Blick in ihren. »Die aus dem Seefahrervolk bist du, meine Schöne. Mir graut vor Wasser.«
    Sie sagte nichts mehr, denn dass er sich geschmeichelt fühlte, wie sie es gewollt hatte, sah sie ihm an.
    Sie hatten vereinbart, ihre Liebe verborgen zu halten und zu warten, bis der Krieg zu Ende war, bis Katharinas Familie sich gefasst hatte, bis Benito sein Studium beginnen konnte. Es würde eine lange Wartezeit werden, und sie war entschlossen, darüber nicht zu klagen. Nur zuweilen durchzuckte sie der Gedanke: Warum nehme ich ihn nicht bei der Hand, führe ihn vor meine Eltern und sage ihnen: Das ist der Mann, den ich von Herzen liebe und der mich glücklich macht?
    Dass ihr Geliebter auf seinem Körper Narben von den Schlägen ihres Vaters trug, vergaß sie. Ihre Mutter wünschte sich einen Schwiegersohn, sie alle wünschten sich doch, dass wieder Leben in die Häuser kam. Warum sollten sie Benito nicht willkommen heißen? Er war klug und begabt, sprach ein schöneres Deutsch als Hermann oder die Zwillinge und schaffte Arbeit für drei. Luise hatte behauptet, Indios seien klein wie Gnome und hätten krumme Rücken, aber Benito war groß, hielt sich kerzengerade und hätte in einem Gehrock ausgesehen wie von Adel.
    Bis auf die Hautfarbe. Bis auf die tintenschwarzen Augen.
    Sooft solche Gedanken sie überfielen, musste sie sein Gesicht mit Küssen bedecken, um ihm zu beweisen, dass ihr nichts ausmachte, was vor der Welt ein Makel war. Und war nicht die Welt dabei, sich zu wandeln? Sie gingen an Trümmerfeldern vorbei und sahen Menschen, die ihre Stadt wieder aufbauten, Steine auf Karren schleppten und Hausrat aus Gerümpel klaubten. Männer wie Frauen, Weiße, Mestizen und Indios. Mexikaner. In allen Farben gemischt. Veracruz, das so viele Leben verloren hatte, konnte sich nicht leisten, auf eines zu verzichten. Eines Tages würde auch ihre Familie begreifen, dass ein Mann von Benitos Lebenskraft, seinen Geistesgaben und seiner Wärme ihnen helfen konnte, ihren Weg in die Zukunft zu finden. Wir sind die, die das Zerfallene neu bauen, die das Leben mit Jubel nehmen, die den Tag vor dem Abend loben. Wir sind die neue Generation.
    Und dann kam jener Tag im April.
    Generalmajor Scotts Armee war ins Binnenland aufgebrochen, um die Hauptstadt zu nehmen, und hatte eine Besatzungstruppe auf den Forts von Veracruz zurückgelassen. Über die Bewohner war eine nächtliche Ausgangssperre verhängt worden, an die sich kein Mensch hielt. Hier und da kam es zu Zwischenfällen, Widerstand, der jedoch zu nichts führte. Um ein Exempel zu statuieren, ließen die Besatzer zwei Männer, die gegen die Ausgangssperre verstoßen hatten, auf dem Zócalo auspeitschen.
    Katharina hörte zwar manches von Jo, kam mit den Soldaten aber kaum in Berührung. Ihre Dekrete hingen auf öffentlichen Plätzen, und ab und an sah sie eine Traube von ihnen aus einer Pulqueria torkeln, doch das gehörte bald zum Straßenbild.
    Es war fast Ostern. Den Tag über war sie herumgelaufen, um Zutaten für Sannes Hefezopf zu ergattern, hatte wenig aufgetrieben und war erschöpft und enttäuscht. Als sie die Glocke von San Jorge fünf schlagen hörte, fiel ihr ein, dass Benito demnächst bei den Temperleys mit der Arbeit fertig sein würde und dass deren Haus keine Viertelstunde entfernt lag. Sie würde ihn abholen und ein paar selige Augenblicke stehlen. Dass er nicht wissen durfte, wie oft sie allein durch die Stadt streifte, vergaß sie in ihrer Vorfreude.
    Sie kam nicht weit. Die Sonne ging schon unter, und in die schmale Gasse fielen lange Schatten. Dass sie hinter sich Schritte hörte, war nicht außergewöhnlich. Auch nicht, dass die Schritte schneller wurden und sich Umrisse vor ihr auf dem Pflaster zeichneten, und dennoch spürte ihr Körper die Gefahr. Herz und Puls

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