Im Land der gefiederten Schlange
Heftigkeit.
»Ich meine, dass der Mann, der dieses Land regiert, nicht Maximilian von Habsburg heißt, sondern Benito Juárez.«
Katharina wurde kalt. Das Flattern des Herzens hörte auf. »Was hat das mit mir zu tun?«, fuhr sie Martina an.
»Nichts«, erwiderte diese gelassen. »Jetzt noch nichts. Zerstreu dich. Genieß dein Leben, du hast es verdient. Deinem Stefan könntest du trotzdem verzeihen, dass er mit Mut nicht gesegnet ist. Und diesem schönen Freund von mir tust du den Gefallen, ja? Warum er dich sehen will, weiß ich nicht, er ist kein Kostverächter und hat womöglich keine feinen Absichten. Aber ein feiner Mensch ist er, und einem Krieger, der seinem Tod entgegenzieht, schlägt ein mexikanisches Mädchen keinen Wunsch ab.«
»Genug«, schrie Katharina. »Kannst du nicht einmal aufhören, über die ganze Welt zu reden wie über deine Spielzeugkiste?«
Nur einen Wimpernschlag lang schien Martina erschrocken. Dann richtete sie sich auf und raffte die Rosen zusammen. »Ich kann es versuchen. Wenn ich an das neunzehnjährige Bürschlein denke, dem ich nachher ein Bein abnehme, fällt es mir leichter. Valentin Grubers Blütenpracht stelle ich ins Wasser. Und Benito sage ich, er darf, wenn er das nächste Mal in der Stadt ist, für die Dauer eines Sherrys deinen Anblick genießen, ja?«
Nein, wollte Katharina auffahren. Nicht jetzt, wo es mir nach all den Jahren möglich scheint, dich zu vergessen, wo ich endlich aus der Starre erwache, in die dein Verrat mich versetzt hat. Dein Verrat, Benito. Du hast mich nie gesucht, du hast mich nie gebraucht, und jetzt brauche ich dich nicht mehr.
Martina, die mit den Rosen im Arm der Tür entgegengeschwebt war, drehte sich noch einmal um. »Übrigens bin ich ein bisschen eifersüchtig«, sagte sie. »Mich haben Männer um Jahrzehnte meines Lebens gebeten, aber Benito Alvarez noch nie um eine halbe Stunde.« Damit ging sie und ließ Katharina allein.
41
Weiß und erhaben ragten die Mauern der Arena ins Himmelsblau. Valentin kannte blaue Himmel aus seiner Tiroler Heimat, aber etwas, das sich mit dieser gläsernen Klarheit vergleichen ließ, hatte er in bald achtundzwanzig Lebensjahren nie gesehen. Auch Berge wie die, die den Horizont begrenzten, sobald sich zwischen den Häusern der Riesenstadt eine Lücke auftat, kannte er nicht. Er war in den Bergen aufgewachsen und glaubte ihre Größe und ihre Majestät im Blut zu haben, doch diese beiden Gipfel schienen an den Himmel zu rühren. Und so still und friedvoll sie an diesem Sommertag wirken mochten, in ihrem Innern kochte die Glut der Erde. Ihre Namen waren unaussprechlich.
Die Ankunft in Mexiko hatte unter keinem guten Stern gestanden. Dass außer Veracruz keine Stadt des weiten Landes über Gaslicht verfügte, war das kleinste von allen Übeln – hinzu kamen unbefestigte Straßen, Kutschen, die so schwer waren, dass sie auf dem holprigen Boden umstürzten, und Betten voller Ungeziefer. Die erste Nacht in der Hauptstadt musste der Kaiser deshalb auf einem Billardtisch verbringen. Max jedoch hatte alle Unbill mit guter Miene ertragen und seinen Begleitern Mut zugesprochen. Was den tapferen Mann seiner Fassung beraubte, waren nicht die bedrückenden Verhältnisse, sondern der Empfang der Menschen. In Veracruz, wo Valentin frenetischen Jubel erwartet hatte, hatte eisiges Schweigen sie begrüßt. Schwer und lastend hing die Luft, als wäre selbst diese ihnen feindlich gesinnt.
In Puebla und Orizaba war die Aufnahme erfreulicher gewesen, aber hier in der Hauptstadt hatten Rebellen den eigens errichteten Triumphbogen umgeworfen, sobald Max und Charlotte aus der Kathedrale traten. Nur dem Himmel war es zu danken, dass dem Herrscherpaar nichts geschehen war, und dennoch verzichtete Max auf die Verfolgung der Täter. »Ich wünsche, dieses Land durch Großmut zu gewinnen, nicht durch Härte«, erklärte er seinen Offizieren. In seiner Stimme schwang kein Zorn, doch die Trauer war nicht zu überhören.
Heute aber war ein neuer Tag, und heute würde der Traum von Mexiko für Max beginnen. Für Valentin, so schwer es fiel, dies zu begreifen, hatte er bereits begonnen. Er sah noch einmal über die Mauer der gigantischen Arena hinweg ins Blau des Himmels und dann zur Seite, auf seine Begleiterin. Das Lächeln, das etliche Frauen verzückt hatte, wollte sich nicht einstellen. Diese Frau vermochte er nicht anzulächeln, nur anzusehen und innerlich still zu werden wie an dem Tag, als Max Kaiser von Mexiko wurde.
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