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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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lächelte auch nicht. Die ganze Fahrt über, seit er sie vor dem Palais, in dem sie wohnte, abgeholt hatte, war ihre Miene ernst geblieben. Gesprochen hatten sie auch kaum. »Ihr Haus passt zu Ihnen«, hatte er gesagt. In der Tat, das hohe Schlösschen hinter dem Park, das nichts Zuckriges, Verspieltes an sich hatte, passte zu der fremden Prinzessin, war verwunschen und geheimnisvoll wie der Blick ihrer unglaublichen Augen. Sie sei aus Hamburg, hatte sie ihm erzählt. Er war nicht ganz sicher, wo Hamburg lag, aber dass eine Frau wie sie aus einer so banalen Stadt stammte, vermochte er sich nicht vorzustellen. »Eigentlich doch nicht«, berichtigte sie, »geboren bin ich in Veracruz.«
    Das passte besser. Auch wenn Veracruz ihn erschreckt hatte – die Frau erschreckte ihn schließlich auch, und er war kein Mann, der sich leicht schrecken ließ. Trug nicht alles Wundervolle einen Funken des Schreckens in sich? Es hätte ihr Name sein können.
Vera Cruz.
Sie hieß Katharina.
    Vermutlich war sie nicht einmal schön. Groß und schlank war sie und nicht mehr jung. Frauen mit schwarzem Haar hatten ihm nie gefallen. Das ihre, das sie nicht ordentlich frisiert, sondern nur von einem Band gehalten trug, fiel in dichten Massen bis in ihre Taille. Keine anständige Frau hätte solches Haar haben dürfen, schon gar nicht zu solchen Augen. In ihm tobte der Wunsch, die Hände in diesem Haar zu vergraben.
    Was ihm geschah, begriff er nicht und versuchte nicht, es zu begreifen. Seine Welt mit ihren Werten und Regeln lag hinter ihm. Dies hier war die neue Welt. Alles war anders, wie aus Fesseln gelöst, selbst das Flimmern der Hitze und der Duft der Luft. Auf den Straßen der Hauptstadt, die dreimal so breit waren wie in Triest, lieferten sich die Kutscher mit ihren Wagen Rennen. Der affenartige Bursche, den man ihm zugeteilt hatte, verstand kein Wort Deutsch und erfasste dennoch im Nu, dass sein neuer Herr an diesen Rennen teilnehmen und als Sieger daraus hervorgehen wollte.
    Alles war anders. Er sah die Frau an, die an seinem Arm durchs Tor der Arena schritt, und erkannte, dass es das war, was er gewollt hatte – das Große, das Außergewöhnliche, das erobert werden musste. Das Ende der Banalität. »Wohin gehen wir?«, fragte sie mit ihrer rauhen, beinahe männlichen Stimme.
    »Lassen Sie sich überraschen«, erwiderte er und betrat mit ihr den Zuschauerraum der Arena, die sich wie ein antikes Amphitheater vor ihnen auftat.
    Der Mexikaner, der sie führte, sprach nur gebrochen Deutsch, war aber wenigstens kein Indio. »Zweiter Ring, Sobrepuertos«, sagte er und wies nach oben auf den Rang, wo es Sitze mit Rückenlehnen gab. »Besser für Neulinge und Damen. Vorne im Barreras spritzt Sand und Blut.«
    Erregung packte Valentin. Die Zuschauerreihen waren zum größten Teil bereits gefüllt, und während sie die steinerne Treppe hinauf zu ihren Plätzen stiegen, setzte Musik ein. Es war ein Marsch, der Valentins Soldatenblut in Wallung brachte, aber er war von einer Sinnlichkeit, die europäischen Märschen fremd war. Ein Marsch für die Liebe, durchfuhr es ihn. Sein Arm, auf dem Katharinas Hand lag, spannte sich. Ihre Finger schlossen sich um seinen Muskel, und ihre Blicke trafen sich in wortlosem Verstehen.
    Seine Kameraden waren allein gekommen, obwohl die Einladung mit Damen ergangen war. Valentin spürte ihre Blicke, als er Katharina vorstellte. Später würde man ihn fragen, wo er sie aufgetrieben habe, man würde die üblichen Witze reißen, und er würde es sich mit einem Wort verbitten. Was zwischen ihm und Katharina geschah, taugte nicht für Scherze.
    Im Niedersetzen berührten sich ihre Schenkel. Das Kleid, das sie trug, gefiel ihm nicht. Es war zu schlicht, hätte Veronika gestanden, doch nicht ihr. Er nahm sich vor, ihr ein Kleid zu schenken, so spektakulär, dass es beinahe verboten war, und im Rot von dunklem Blut. Zum Gedanken an Blut passte der bedrohliche Akkord des Orchesters. Hier geht es um kein Spiel, verkündete die dunkle Tonfolge. Gleich darauf setzte die Musik aus, und dann leitete ein Trommelwirbel einen Triumphmarsch ein.
    Das Spektakel begann.
    Ein Reiter auf einem Rappen sprengte in die Arena, dass der Sand, in den zwei Kreise gezeichnet waren, aufwirbelte. Er galoppierte bis zu der Stelle, wo die hölzerne Barriere um den Ring unterbrochen war. Dahinter lag ein Tor, und darüber befand sich eine Loge, in der Angehörige der Stadtregierung saßen. Einer von ihnen reichte an einer Stange einen

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