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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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Frauen sahen einander an. Einmal hob Inga den Arm, senkte ihn aber wieder und tat keinen Schritt. Kurzerhand durchmaß Marthe den Raum und stopfte das Bild in ihren Korb. »Erklär’s ihm, ja? Seine Familie von der väterlichen Seite. Tante Jette, Tante Luise, Tante Helene, Tante Josephine und Tante Katharina. Onkel Stefan kennt er ja schon.«
    Von der Vordertür rief Stefan in erstaunlich resolutem Ton, er müsse fahren. Inga nahm den Korb auf den Arm und lief mit erstaunlich leichtem Schritt aus dem Raum.
     
    Das Wasser des Weihers schillerte grünlich, aber unter der Oberfläche war es rein wie Glas. Es war eine Wohltat, sich waschen und die Kleider wechseln zu können. An die Schwaden von Gestank, die sie auf ihren Märschen umhüllten, würde sich Benito nie gewöhnen.
    Hier in Puebla, das sie in einem Blitzangriff genommen hatten, würde seine Einheit nicht lange bleiben. Porfirio Diaz, der ein Feldherr wie ein doppelschneidiges Schwert war, plante, einen Teil seines Heeres nach Norden zur Verstärkung der Truppen Escobados zu senden, also galt es, die kurze Pause zu nutzen. Benito stieg in die Hosen, füllte einen Napf mit Wasser und kniete sich davor, um sich zu rasieren. »Ihr Indios wachst zu wie die Affen«, hatte Guerrero gesagt. »Und ihr Kreolen werdet kahl wie die Eier«, hatte Benito erwidert, und sie alle hatten gelacht.
    »Du musst nicht denken, dass ich dich nicht schätze, Capitán«, beteuerte der Sohn eines Hacendados, der ihm kaum je von der Seite wich. »Du bist mein Held, und wenn du hundertmal die falsche Hautfarbe hast. Falls du nach dem Krieg Arbeit suchst, dann denk an Gustavo Guerrero. Auf meines Vaters Hacienda wird sich schon Platz für dich finden – mit bester Behandlung, dafür stehe ich ein. Kein Schlafen im Stroh, keine Schläge, keine Würmer.«
    »Das kann ich nicht annehmen«, hatte Benito gesagt. »Was soll ich ohne Würmer denn essen? Kleine Kinder?«
    Sie lachten jetzt viel, und das ewige Versprechen »nach dem Krieg« klang wie ein Lied, an dessen Refrain sie zu glauben lernten. Dass dennoch ein jeder von ihnen unter denen sein konnte, die die Erfüllung des Versprechens nicht erlebten, schwang in all ihren Worten mit, in der ständigen Verbrüderung wie im Austausch von Lebensgeschichten, in den Sentimentalitäten selbst beim Pinkeln. Vielleicht würde es ihnen später einmal peinlich sein, einander zu begegnen, doch in diesen Monaten hätten sie miteinander ihr letztes schweißverkrustetes Hemd geteilt.
    Dem Versuch, sich mit dem Rasiermesser das Haar im Nacken zu stutzen, war kein Erfolg beschieden. Benito fluchte, als ihm die Klinge in die Haut schnitt. Gleich darauf ertönte eine Stimme hinter ihm. »Bei der Jungfrau, womit habe ich das verdient? Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht mein Amarantfresser ist.«
    Ehe er sich umdrehen konnte, sauste Ferrantes Hand auf seinen bloßen Rücken nieder. »Dios mio. Das letzte Mal waren Sie aber deutlich hübscher.«
    »Wir werden eben alle älter.« Einen wiederzusehen, den man totgeglaubt hatte, war besser als alles Schwärmen vom Sieg.
    Ferrante lachte. »Erzählen Sie’s mir. Was haben Sie angestellt, um sich derart erbarmungslose Prügel einzuhandeln?«
    »Kaum sind Sie hier, wollen Sie schon wieder Geständnisse von mir? Ich denke, ich lasse mich in General Coronas Regiment versetzen.«
    »Kommt nicht in Frage, Freundchen.« Ferrante griff ihm ins Haar und zog ihm den Kopf nach hinten. »Jetzt, wo ich Sie wiederhabe, behalte ich Sie bis zum bitteren Ende. Wenn Sie Ihrer Eitelkeit genug gefrönt haben, kommen Sie zur Besprechung in mein Zelt. Bis dahin kann ich Ihnen gern einen Spiegel borgen.«
    »Vielen Dank. Ich begnüge mich lieber mit der Illusion.«
    »Da tun Sie auch besser dran.« Lachend klatschte Ferrante ihm aufs Schulterblatt. »Beeilen Sie sich. Ich will heute Abend aufbrechen und euch Laffen vorher wenigstens die Marschroute zeigen.«
    »Durch die Nacht mit den Kavalleristen und den schweren Geschützen? Haben wir es so eilig?«
    Ferrante nickte.
    »Und wohin gehen wir?«
    »Nach Querétaro.«
    »Das freut mich.«
    »Was ist an der-Teufel-soll’s-holen-Querétaro zum Freuen?«
    »Ich bin da geboren«, erwiderte Benito.
    »Das hätte ich mir ja denken können.« Ferrante schnitt eine Grimasse. »Dass wir von da noch woanders hingehen, bezweifle ich.«
    »Heißt das, der Habsburger gibt die Hauptstadt auf?«
    »Ja, das heißt es.« Ihre Blicke trafen sich. »Es dauert jetzt nicht mehr lange. Sie

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