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Im Land der gefiederten Schlange

Im Land der gefiederten Schlange

Titel: Im Land der gefiederten Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: carmen lobato
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schön. Sie hatte die Art von weißblondem Haar, die nie ganz ergraute, und wasserhelle Augen. Wie Josephine. Woher war ihm nur die fixe Idee gekommen, Josephine sei nach Vera geraten? »Ihr betragt euch, als wäre an einem einzigen Tag über euer Leben der Stab gebrochen worden«, fuhr sie fort. »Und keiner von euch hätte je die Möglichkeit gehabt, einen anderen Weg einzuschlagen.«
    Die Worte blieben im Raum stehen. Christoph ging zu dem Korb und zog das Schiffchen heraus. Kinderfinger hatten das alte Holz in Jahren blank gerieben. Sein Vater hatte es ihm gekauft, bei einem Holzschnitzer auf dem Fischmarkt. Wie war es wohl in das Gepäck geraten, das in rasender Hast für die Überfahrt geschnürt worden war? Er hatte es Friedrich geschenkt, zu einem Weihnachtsfest, als sie für Spielzeug kein Geld hatten. Unzählige Male hatten er und Marthe sich gewünscht, sie könnten diesen einen Tag in ihrem Leben noch einmal durchleben und das Schicksal umkehren – und jetzt wünschte er sich nichts als dieses Weihnachten zurück. Er wünschte, er hätte sich auf den Boden knien und mit seinem kleinen Sohn mit dem Holzschiff spielen können.
    »Pack das ein«, sagte Inga. »Hier braucht es keiner mehr.«
    Christoph drückte das kleine Schiff in seiner Hand und legte es zurück in den Korb. »Du hast recht, wir hätten andere Wege einschlagen müssen. Schon um euretwillen.«
    »Das letzte Mal hättest du das tun können, als Kathi ging«, sagte sie. »Hast du dich gefragt, wie ich mich fühle, wenn du dieses Ammenmärchen über deine Vaterschaft öffentlich machst? Hast du dich gefragt, wie deine Kinder sich fühlen?«
    »Aber das musste ich doch!«, rief Christoph. »Das hatten Marthe und ich vereinbart …« Dann verstummte er. Sie hatte wiederum recht. Flüchtig glaubte er, sie werde den Korb nehmen und die Küche verlassen, weil es ja nichts mehr gab, das er zu seiner Verteidigung sagen konnte. Sie aber blieb stehen, lehnte den Rücken an den Küchentisch und wartete.
    »Ich glaube, wir waren verrückt«, sagte er langsam. »Das klingt wie eine Ausrede, aber sooft ich an uns denke, kommen wir mir vor wie Verrückte. Wie Menschen, die sich in der Welt nicht zurechtfinden und blindlings ins Leere tasten. Marthe und ich. Vera nicht. Vera war so zart und still, aber im Inneren hatte sie erstaunlich viel Kraft. Schon auf dem Schiff hatte sie uns überrascht, weil sie Spanisch lernte. Marthe und ich dagegen waren wie die Überseekoffer – über Nacht aus unserem Leben gerissen und auf dieses Schiff geworfen. Wir sollten einem neuen Glück entgegensegeln, aber Marthe und ich waren seekrank, hatten Heimweh, und ich glaube, wir wussten beide nicht, wo Mexiko liegt.« Er brach ab. »Verzeih mir. Ich sollte mich nicht herausreden.«
    »Sprich weiter«, sagte sie.
    »Vielleicht hätten wir uns ja gefangen«, fuhr er fort. »Unser Vater hatte versprochen, der Onkel würde uns im Hafen abholen, er hätte eine Stellung für mich und würde für Vera und Marthe geeignete Bräutigame finden. Unter einem Hafen stellten wir uns Hamburg vor, aber der Hafen von Veracruz war eine Sammlung Blechhütten und von Fliegen umsummter Marktstände. Kein Mensch sprach Deutsch, und in der Gluthitze konnte Marthe nicht atmen. Am Kai wartete kein Onkel – der war mit seinen Silberbergwerksanteilen gerade bankrottgegangen und hatte keine Ahnung, dass wir auf ihn warteten. Wir kannten keinen Menschen, wir mussten irgendwie das Gepäck aus diesem Hafen schleppen und den Onkel finden. Und dann kam der Überfall. Wenn wir bis dahin noch einen Rest von Kraft hatten – danach hatten wir keine mehr.«
    »Ihr wart drei Wochen lang in der Gewalt der Banditen, richtig?« Ihre klaren Augen sahen ihn an. »Es waren alles Indios, und ihr konntet kein Wort mit ihnen sprechen?«
    Christoph nickte. »Fünf Männer. Mit ihnen sprechen konnte nur Vera. Die fragten sie, wer Lösegeld für uns zahlen würde, und sie gab ihnen den Zettel mit Onkel Sieverts Adresse. Aber das alles kennst du ja. Das wurde ja hundertmal erzählt.«
    »Nein«, sagte Inga. »Es wurde hundertmal angedeutet, aber sooft Fiete oder ein anderer die Geschichte fortführen wollte, bekam Marthe einen ihrer Anfälle. Ich habe es nie im Ganzen gehört. Es war eines dieser Geheimnisse, an die man nicht rühren durfte, weil sonst angeblich das Gebäude einstürzte.«
    Vor dem Fenster zogen in endloser Reihe die Franzosen aus der Stadt. »Die Männer sagten zu Vera, sie würden uns töten«, fuhr

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